Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Mittwoch, 8. Juli 2020

Die Bretagne - der Ursprung Frankreichs

Die Geschichte der Bretagne hat nichts - bis ins Frühmittelalter gar nichts - mit dem heutigen Mutterland Frankreich zu tun. Der Name wurde von den Bretonen abgeleitet - also den englischen Nachbarn. Historiker führen den Ursprung der Zivilisation dort auf die Gallier zurück - die kamen aber erst fast zum Schluss. Sie hatten das Land Aremorica genannt - das Land am Meer - und ein römischer Gelehrter behauptete, das sei nur ein anderer Name für Aquitanien. Jetzt kommen wir der Sache schon näher.
Aquitanien nämlich, heute nur die südwestlichste Ecke Frankreichs, steht für die genetische, kulturelle, technologische und letztendlich auch sprachliche Einheit der gesamten Atlantikküste von Südspanien bis Schottland und später auch Skandinavien. Auf dieser Linie kamen in mehreren Schüben die ersten Menschen aus Afrika nach Europa. Sie waren nicht einmal von den dazwischen liegenden Eiszeiten aufzuhalten.
Die dauerhafte Besiedlung der Bretagne begann wie üblich mit der Geografie ihrer Landschaft: Der erhöhte Landzipfel verdankt seine Entstehung ausschließlich dem Anstieg des Meeresspiegels nach der letzten Eiszeit. Bis 6200 v. Chr. etwa war er nämlich noch mit den Britischen Inseln verbunden. Die ersten Bauern schlugen hier spät, erst gegen 5100 v. Chr. auf und sollen aus Südfrankreich gekommen sein, einzelne Wissenschaftler sagen wieder aus Spanien.
Schon der nächste Schub - die Megalithkultur - kann gegen 4500 v. Chr. mit Sicherheit wieder der Iberischen Halbinsel zugeordnet werden. Die ersten Großsteinsetzer suchten die Anhöhen an der Küste von Aquitanien bis sie in die Bretagne kamen. Hier lebten die erfolgreichen Bauern ihren Überschuss aus.
Sie selbst wohnten in den damals typischen Langhäusern, aber für die Gräber ihrer Eliten schichteten sie monströse Steinhaufen auf: Zunächst bauten sie Dolmen, oder Steintische, die ehemals mit Erde überdeckt waren. Davon gibt es Tausende hier. Einzelne Forscher glauben, dass die Erdhüberdeckungen von Tsunamis weggespült wurden. Tatsache jedenfalls: Später begannen die Leute Bruchsteine um ihre Grabkammern zu stapeln - sog Cairns entstanden. Schön zu sehen am Cairn von Barnenez, dessen Dolmengräber die ältesten in der Bretagne sein sollen. Der Steinschichtungen drumrum kam erst später dazu. Nirgendwo sind diese Anlagen so komplex und zahlreich wie in der Bretagne - scheinbar eine (Halb-) Insel der Hochkultur im steinzeitlichen Westeuropa. Da in vielen dieser Grabanlagen keine Knochen gefunden wurden, glauben einzelne Forscher, dass hier gewohnt oder zelebriert wurde. Der Table de Marchand jedenfalls weist auch mehrere Nutzungsphasen auf und an den Gravuren erkennt man: hier haben Leute sehr viel Zeit verbracht. Anderen Orts wurden die Cairns erneut mit Lehm überworfen, so dass sie wieder wie Erdhügel aussahen, so am Tumulus St. Michel bei Carnac.
Dolmen und Cairns im Inneren belegen aber eine etappenweise Baugeschichte. Vielleicht erklärt die hallstattzeitliche Nachbestattung an seinem Rand eine spätere Überformung mit Lehm. Die Kapelle auf seiner Spitze jedenfalls ist typisch für die symbolische Vereinnahmung heidnischer Plätze durch die Kirche im Frühmittelalter. Es soll der größte Grabhügel Europas sein. So beschreibt es das Museum von Carnac, wo entsprechend der Konzentration solcher Anlagen das Zentrum der Megalithiker gewesen sein muss.
Die Bretagne scheint auf Grund der gleichmäßigen Verteilung solcher Anlagen und deren Abgrenzung gegenüber dem Pariser Becken so etwas wie eine staatliche Einheit gebildet zu haben. Der in den Atlantik vorspringende Gebirgssporn wird umrahmt von den Flüssen Saine und Loire und konnte so nach den damaligen Möglichkeiten leicht verteidigt werden.
Von hier wanderte die Megalithik weiter auf die Britschen Inseln, die Niederlande, die Norddeutsche Tiefebene und Skandinavien. Viele Wissenschaftler sind sich auch einig, dass diese küstenbezogene Expansion schon auf Schiffen vorgetragen worden sein muss. Auch wenn es keine eindeutigen archäologischen Funde dazu gibt, die Indizien sprechen für sich. Hochseetaugliche Boote sind im Mittelmeer ab 3500 v. Chr. nachgewiesen. Sie konnten aber sicher nur in Sichtweite der Küste fahren. Und da kommen die anderen atemberaubenden Großsteinsetzungen ins Spiel: Die Menhire. Sie sind bis zu 20 Meter hoch und viele waren glatt geschliffen. Altgeschichter verkaufen sie heute als Kultobjekte und erfinden allerlei religiösen Hokuspokus. Wer sich aber je mit einem Schiff der bretonischen Küste genähert hat, weiß mit ihrer Orientierung, wo er zu landen hat und wo der zentrale wasserscheidende (Höhen-)weg nach Osten führte. Das wird besonders deutlich, wenn zwei oder noch mehr dieser Landmarken hintereinander stehen. Als eben solche Wegweiser mit der gleichen Aufstellungslogik sind die Steinstelen - natürlich viel kleiner - bis nach Mitteleuropa gekommen (Bei uns stehen sie in Langenbach, Buttelstedt oder Suhl rum). Wie immer in der menschlichen Kunstgeschichte folgte auch die Aufstellung von Menhiren einer gewissen Dekadenz. In Carnac sind etwa 3000 dieser Wummis aufgereiht. Aber auch sie geleiten Reisende nur über günstige Furten um den Golf von Morbihan herum nach Osten.

Die in der Brertagne von 2900-2700 v. Chr. nun mit Kupferwaffenwaffen nachfolgende Glockenbecherkultur stammt wieder aus dem südlichen Portugal. Sie scheint ganz in der Tradition ihrer Vorgänger gelebt zu haben. Die Gräber der Bechertrinker werden mit den sog. Steinkisten zwar kleiner aber zahlreicher. Ihre strategische Expansion wieder mit Schiffen entlang der Atlantikküste wird von mehreren Historikern hervorgehoben. Sie scheinen um 2600 v. Chr. nach England weiter gezogen sein, um das ehemals hölzerne Stonehenge, durch das heute erhaltene steinerne Gebilde zu ersetzten. Was damals so abgegangen sein könnte, darauf verweist die gentische Erkenntnis, dass kurz nach deren Eintreffen die gesamte einheimische Population verschwand. Krieger auf einem Invasionstrip? Die Glockenbecherleute überrannten jedenfalls in historisch kurzer Zeit Europa bis in die Ukraine und Ungarn. War die Bretagne ihr Aufmarschgebiet?
Doch Übermut kommt vor dem Fall. Die Halbinsel erlebte in ihrer Geschichte mehrere Große Zivilisationen, die kamen und wieder verschwanden. Casseen von 4600 bis 2400, Artenacian mit seinen reichen Gräbern von 2200 bis 1200 und noch einmal die sog. Atlantische Bronze von 1100 bis etwa 700 - alle vor Christus. Gerade die letzte Zivilisation fällt an der gesamten Küste durch Nomadentum auf, viele vergrabene Schätze und minderwertige Bronze. Das deutet auf extreme Krisen hin. Außer in der Bretagne! Dort wurden weiter jene berühmten Bronzeäxte mit geraden Schäften hergestellt, die in ganz Nordeuropa gefunden wurden. Eine technologische Insel in einer ansonsten untergegangenen Welt? Tatsächlich haben mehrere Archäologen Siedlungslücken zwischen den Kulturen festgestellt. Aber nur einzelne bringen diese mit möglichen Tsunamis vom Atlantischen Ozean her in Verbindung. Dabei zeigt die gesamte Küstenlinie von Marokko bis Schottland entsprechende Flutszenarien durch Muschelablagerungen u.a. an. Die letzten Überschwemmungsgebiete in Aquitanien wurden mit den sog. Landes in Aquitanien erst unter Kaiser Napoleon entwässert. Gerade die letzte Flut gegen 1200 v. Chr. muss mit Umwälzungen in ganz Europa in Verbindung stehen. Denn erst kam lange nichts in die Bretage und dann - endlich nach 700 Jahren - die Kelten! Nicht wie ihre Vorgänger von Süden sondern aus dem Osten. Sie brachten eine vollkommene neue Welt in den letzten Festlandzipfel Europas:
Die extrem anders klingende indogermanische Sprache, einen völlig fremdartigen Grabritus - die Leute wurden jetzt eingeäschert - dazu unschlagbare Eisenwaffen und: wieder Grabhügel. Einzelne Forscher glauben, dass jetzt erst die heute noch sichtbaren erdüberschütteten Tumuli, sprich Hügelgräber entstanden waren. So der Tumulus von Tumiac, mit Dolmen, Steinschichtung, Erdüberwurf. Auf ihm soll der römische Übervater Cäsar - viel später - die entscheidende Seeschlacht über die Gallier beaufsichtigt haben. Mehr geht symbolisch an der Grenze von Ur- zu Frühzeit nicht. Die antike Richtung war vorgegeben.
Die Neuankömmlinge in der Bretagne um 500 v. Chr. werden zuerst von den Griechen als Kelten und später von den Römern als Gallier bezeichnet. Es war jedenfalls eine Hochzivilisation, die sich nach 1200 v. Chr. aus der Urnenfelder-, über die Hallstatt-, bis zur Latene-Kultur entwickelt hatte. Sie bauten wie überall - auch auf den Gleichbergen bei Römhild - stadtähnliche befestigte Höhensiedlungen, die sog. Oppida, erst aus Holz, später - nach Kontakt mit dem Mittelmeerraum - auch aus Stein. Sie vermischten sich mit den Einheimischen und nannten die Bretagne Aremorica. Hier sollen 5 keltische Stämme gelebt haben. Die Veneter hatten sich aber bald - 350 v. Chr. - über die anderen erhoben. Die römischen Quellen beschreiben noch einen anderen keltischen Stamm mit demselben Namen aber weit weg, zwischen Adria und Alpen. Völkerwanderungen über solche Dimensionen scheinen damals normal gewesen zu sein:
Auch die keltischen Volcae - damals südlich der Bretagne - sollen aus dem Raum um den Thüringer Wald eingereist sein. Die hätten das alte Aquitanien besetzt und deren Bewohner ins Baskenland vertrieben. Bis ins Mittelalter hinein soll die Indogermanische Sprache probleme gehabt zu haben, sich hier am Atlantik zu etablieren. Die Römer rechneten bei ihrer Besetzung Südfrankreichs um 125 v. Chr. Aquitanien noch den Alteuropäern zu. Gaius Julius Cäsar bezeichnete auch die Bretagner als überlegene Seefahrer und Herrscher über die Meere. Der große Feldherr tat sich 56 v. Chr. ziemlich schwer mit der Eroberung ihrer Küstenstädte. Erst in der Seeschlacht im Golf von Morbihan - bei Carnac, auf dem Hügel - konnte er die Veneter austricksen.
Nun taten die Römer auch in der Bretagne das, was sie immer machten: Die überlegene mediterrane Kultur verbreiten. Die größten Städte hier im Nordwesten gehen auf sie zurück: Nantes, Rennes, Vannes, und andere. Ein römischer Hotspot aber scheint das hier nicht gewesen zu sein. Die typischen Großbauten wie Arenen und Aquädukte fehlen. Auch über Land finden sich nur wenige Relikte. Nur der Küstenbefestigung schenkten die Römer einige Aufmerksamkeit, wie die Bäder von Plestin-les-Grèv bei Morlaix zeigen. Die Bretagner scheinen weitab der römischen Herrlichkeit eine gewisse Unabhängigkeit genossen zu haben.
Denn wann immer die Römer ihre Truppen für andere Konflikte irgendwo in der Welt abziehen mussten, erhoben die Unterdrückten - überall Bagauden genannt - ihr Haupt. Die römischen Beamten wurden vertrieben, lokale Fürsten ergriffen die Macht, Strafexpeditionen folgten, bis sie Anfang des 5. Jahrhundert ausblieben. Die aremoricanischen Stammesfürsten und Städte schlossen sich in der folgenden chaotischen Zeit zu einem Schutzbündnis zusammen. Sie mussten sich nun gegen germanische Plünderer, vor allem Angelsachsen schützen. Die hatten ganz England besetzt und die dort lebenden bretonischen Kelten Vertrieben. Es kamen ihrer so viele über den Ärmelkanal, dass die inzwischen etablierte gallorömische Sprache von einer lokalen Britschen Sprache überlagert wurde. Der Name Bretagne manifestierte dies nur.
Die Bretonen setzten auch endgültig den Christlichen Glauben in ihrer neuen Heimat durch und bauten - wie wir schon wissen - fleißig Kirchen. Das aremoricanische Trutzbündnis soll aber weiterhin bestanden haben. Als die sich ganz Westeuropa unter den Nagel reißenden Franken 497 hier aufmarschierten, unterwarfen sich die Bretonen zwar, scheinbar aber wieder nur formell. Sie setzten gegen 600 sogar einen eigenen König ein, dessen Reich 200 Jahre Bestand hatte. Auch der kontinental agierende Karl der Große konnte hier nur ein Intermezzo geben. Er machte 786 die Bretagne zur Grenzmark und setzte einen Grafen als Verwalter ein. Der machte sich aber - wie alle anderen auch - nach Karls Tod selbständig und die Zentralmacht im ja nicht allzu weit entfernten Paris musste um ihre Botmäßigkeit kämpfen.
Gleichzeit aber fielen ab 843 die Wikinger von allen Seiten in die Bretagne ein. Knapp einhundert Jahre währten die Kriege. Während die Loire-Normannen südlich nur kurzzeitig erfolgreich waren, konnten die Seine-Normannen - im Dienst der Franken als Bollwerk gegen weitere Wikinger - 911 ein eigenes Herzogtum gründen.

Diesem gelang es 1066 sogar ganz England zu okkupieren. Die Herzöge der
Normandie waren forthin auch die Könige von England. Das konnte nicht gut enden für die Bretonen. Symbolisch dafür steht der Aufstieg des weltberühmten Mont St. Michel. Zunächst bretonische Holzfeste, wurde er 933 Normannisch und diente als Grenzsicherung gegen die vormaligen Besitzer und andere angriffslustige Skandinavier. Eine erste Kapelle wurde gebaut. Große Burgen aber verlangten nach einem Kloster, wie überall damals in Europa. Benetektinermönche gründeten die erste Abtei. Die reichen normannischen Herzöge mit Königssitz in England bauten den Hügel nun großzügig aus und schufen dieses Weltkulturerbe.
Dem hatten die bretonischen Fürsten kaum was entgegen zusetzen. Sie erkannten 980 die Oberhoheit der Normannen an. Die Halbinsel zerfiel in unzählige kleine Herzogtümer, die ständig untereinander stritten. Dazu kamen noch ein Erbfolgekrieg und der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England. Trotz der ständigen Konflikte bewahrten sie aber bis ins 15. Jahrhundert noch eine gewisse Selbständigkeit. Anne de Bretagne war die letzte unabhängige Herrscherin über die Halbinsel. Sie musste nacheinander zwei französische Könige heiraten, um endlich 1499 in die Grande Nation aufgenommen zu werden.
Alle weitere Geschichte der Bretagene war nun die Entwicklung aller französischen Provinzen. Beispielhaft zeigt das das Städtchen Morlaix an der Nordküste der Bretagne. Das Fort Taureau gegen die Engländer, in paar übrig gebliebene Feudalsitze, ein kleiner Hafen vor allem für die Ostindienkompanie, die lokale Tabakindustrie, ein paar Schmugglerbuchten, Brücken für den industriellen Fortschritt, Kirchen mit ausgebesserte Weltkriegsschäden, die Trasse des Hochgeschwindigkeitszuges TGV .
Nur ein paar Romantiker aber kennen an der Hafeneinfahrt den Cairn von Barnenez. Und von denen wissen nur einzelne von seiner historischen Einordnung. Wir gehören jetzt dazu: Er kündet abseits heutiger Touristenströme von einer Zeit, als die Bretagne weltweit noch zu den Zentren menschlicher Hochkultur zählte. 

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