Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Sonntag, 22. Juli 2018

Vom Menhir zum Marterl

Monstermenhir
Seit 15 Jahren erforsche ich Ur- und Altstraßen - sowohl im Gelände als auch nach Flurkarten. Immer wenn ich nicht wusste wo weiter, standen da entweder Menhire oder Kreuze am Weg. Es muss da einen Zusammenhang geben!

Definieren wir also Menhire als unterschiedlich große Steinstelen, wahrscheinlich  in megalithisch geprägter Zeit bearbeitet (4500 - 1000 v. Chr.), die bewusst an einem ausgewählten Platz aufgestellt wurden. Alleine im Netz finden sich Tausende. Archäologen erklären sie uns als Kultsymbole, die an heiligen Plätzen auf Huldigung warteten. Nur - da stehen sie nur in Ausnahmefällen! Und auch dort scheinen die anderen Objekte (z. B. Gräber) erst nachträglich beigestellt  (z.B. der zerbrochene Monstermenhir von Locmariaquer), bzw. der Menhir von woanders herbeigeschafft worden zu sein (Menhir von Hohen bei Halle). Meistens fehlt aber alles, was uns als prähistorisch anbetungswürdig einfallen könnte, wie Quellen, Höhlen, Bäume, bizarre geologische Formationen etc. (Über Menhire auf Grabhügeln u.a. Ausnahmen wird noch zu sprechen sein.) Ich kenne übrigens aus megalithischer Zeit prinzipiell nur praktische Artefakte wie Steinwerkzeuge, Topfscherben, Pfostenlöcher und später Kupfermesser. Sicher deuten die großen Steingräber aus jener Zeit auf irgendwelchen religiösen Hokuspokus hin, aber auch sie scheinen aus dem nüchternen Wunsch heraus entstanden zu sein, die Toten gegen Tierverbiss zu schützen. Dass diese Gräber bei den Oberen ein bisschen monströs ausfielen (Dolmen, Chairns, etc.) liegt, wie heute, an der menschlichen Natur. Alle Ritualbeschreibungen zu Großsteinsetzungen aber bleiben Spekulation, bzw. deuten in eine spätere Zeit. Selbst viele Ausgrabungsinterpretationen gründen sich auf Vermutungen. Genau wie bei den Menhiren!
Menhir von Mittelbrunn auf einem Bergrücken
Wo aber deren Standort immer zugeordnet werden kann - sind prähistorische Höhenwege! Sie stehen nämlich prinzipiell an oder auf wasserscheidenden Bergrücken, flankiert durch Hohlwege, frühzeitliche Höhensiedlungen und archaisch klingende Flurnamen. Ich behaupte deshalb, die Menhire waren in erster Linie Wegweiser, die an Kreuzungen oder Abzweigungen von alten Fernwegen standen, oder zu diesen hinführten. Das scheint zumindest für ganz Europa und den Nahen Osten zu gelten. In der Literatur klingt diese These ab und zu an, wird aber meines Wissens nie zu Ende gedacht. Dabei macht sie Sinn für eine Zeit, als die Stämme noch viel wanderten, Klimakapriolen sie auf die Höhen zwangen, Talsiedlungen über einen bestimmten Zeitraum die Ausnahme waren, man bei geschätzt einer Million Einwohnern auf unserem Kontinent nicht alle Nase lang nach dem Weg fragen konnte. Und: Auf den Kammwegen kommt man 3 mal so schnell, trockener und sicherer voran, als über die Täler der Gebirgsausläufer.
Menhir- und Steinkreuz-gespickter Rennsteig
Ich habe mir mal den Spaß gemacht, alle bekannten Menhire Mitteldeutschlands in eine Karte mit wasserscheidenbasierten Höhenwegen einzuzeichnen (Siehe Post "Vergessene Höhenweg durch Mitteldeutschland"). Ohne Ausnahme konnten sie alle irgendwelchen ur- und frühzeitlichen, ja sogar mittelalterlichen Wegerelikten zugeordnet werden. Wer heute über weite Strecken querfeldein zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist kennt das: Er braucht für effektives Reisen auf baumlosen Hochebenen einen Punkt, den er anvisieren kann. Das können markante Berge oder aber eben Menhire leisten. So habe ich in der Rhön und im Hessischen Bergland nicht nur Erhebungen mit der Bezeichnung "(Alte) Mark" gefunden, sondern auch jede Menge kleine Steinstelen. Das markanteste Beispiel im Netz der Europäischen Mittelgebirgshöhentrassen ist mir in Süddeutschland begegnet: Auf dem nördlichen Höhenzug der Donau, zwischen Schwarzwald und Bayerischem Wald tauchen die vielleicht einen Meter hohen Menhire alle paar Kilometer auf - scheinbar in Sichtweite.
Steinkreuz mit Bogen-Symbol
Durch die fortschreitende Verlegung der Transporttrassen ins Tal und die zunehmende Bewaldung sind viele der angezeigten Wege nicht mehr erkennbar. Menhire wurden umgeworfen, abtransportiert und verbaut, nicht selten sogar versetzt. Das Ganze ist ja auch schon minderst 3000 Jahre her. Und: Aus den Menhiren müssen sich mit der Christianisierung, vielleicht ab dem 8. Jahrhundert, zunächst die Steinkreuze und ab 1200, dem Hochmittelalter, die vielen immer wieder rekonstruierten hölzernen Flurkreuze entwickelt haben (Sühne-, Schweden-, Hussitenkreuze, Marterl). Ausnahmen sollten die Regel bestätigen. Das Problem nämlich: Viele der nicht zerstörten Menhire scheinen verlegt worden zu sein (Bsp. Stellsteinreihen im Odenwald).
Natürlich war auch ich anfangs durch die Erklärungen der Experten geprägt. Was wird diesen Denkmalen am Weg nicht alles angedeutet! Kaum eines ohne Sage, Fabel, Märchen. Auch ernstzunehmende Autoren und Wissenschaftler scheinen sich gerne den Ausschweifungen über frühzeitliche religiöse Rituale hinzugeben. Das führt dann u.a. dazu, dass bedeutende Altwege in Vergessenheit geraten, wie z.B. der östliche Keltenweg durch Franken (Siehe: http://fraenkischesthueringen.blogspot.de/2015/08/prahistorische-urwege-durch-franken.html. Nur bei einzelnen Historikern klingt der Verdacht an, ihr Standort könnte irgendwie wegetechnisch ins Gewicht fallen. Ich habe inzwischen über 1000 megalithische Anlagen inspiziert. Dabei fand ich keinen Menhir und nur ganz wenige Kreuze, die nicht in irgendeinem direkten Zusammenhang mit einer Altstraße stehen könnten. (Ausgeklammert werden hier jene Kreuze, die zur Vereinnahmung "heidnischer Kultplätze" auf frühzeitlichen Bergsiedlungen errichtet wurden.)
Deutliche Richtungsanzeige bei
Doppelmenhir
Schauen wir uns die Menhire an. Das Netz quillt über mit Abbildungen solcher Monumente. Eine erste Übersicht bietet die Wikipedia. Ich werde in diesem Artikel versuchen, jedem der genannten Denkmale seine Altstraße zuzuordnen. In der Anlage führe ich zusätzlich eine Liste mit Beispielen aus Mitteldeutschland auf. Der geneigte Leser mag darüber richten. Die Heimatforscher rufe ich auf, wenigstens mal über die entsprechenden Artefakte in ihrer Region nachzudenken. Wetten, dass da irgendwo Hohlwege am Ende eines imaginären Weges warten, eine befestigte prähistorische Siedlung, ein altes Gräberfeld oder ein echter Kultplatz! Die dazugehörigen Pfade habe ich an bekannten Altstraßen festgemacht, bei denen eine Nutzung bereits seit der Bronzezeit wahrscheinlich ist http://fraenkischesthueringen.blogspot.de/2017/01/altstraen-selber-finden.html. Besonders das Netz der Europäischen Mittelgebirgskämme scheint für solche Urwege prädestiniert (Rennsteig, Erzgebirgskamm, Rhönhöhenweg, etc.). Bei den meisten tragen die Kammwege sogar Namen, die sich vielfach wiederholen (Rennstieg, Hohe Straße, Heidenstraße, Kupferstraße, Weinweg, Salzleite). Wenn solche Gebirgszüge über 1000 Meter ansteigen, stehen die Menhire, respektive Kreuze, an Wegen, die Felsen und Bergspitzen umfahren (Böhmerwald, Riesengebirge, Hohe Tatra). Schon damals muss man auf Sichtweite gefahren sein. Stehen Menhire direkt an einem Höhenweg, wird die Kreuzung mit einer anderen wichtigen Altstraße wahrscheinlich (Bsp. Monraburg), oder ein Abzweig ins Tal
Figurritzung auf Menhir am Hahnberg 
in der Rhön
(Bsp. Hahnberg zwischen Kaltenlengsfeld und Oepfershausen). Nach einer Furt oder alten Talsiedlung wäre eine Richtungsanzeige zur „Trift“, Leite oder „Hardt“ logisch (Bsp. Suhl, Schmückestraße, Schleusingen-Dietzhausen). Nach der bekannten Ausbreitung der Megalithkultur entlang der Küste des Atlantiks von südlichen Spanien bis nach Skandinavien, bzw. über die Schweiz nach Süddeutschland, müssten sich auch die Menhire einordnen lassen. Mit der Entfernung von Westeuropa sollte auch ihre Mächtigkeit abnehmen (Bsp. Steinerne Jungfrau bei Halle) und ihr Bearbeitungsgrad (Glattschliff, siehe Wetzstein am Rennsteig und in Buttelstedt). Stehen Menhire am Hang, scheinen sie auf einen Höhenweg hinzuweisen, wobei es Hohlwege im Umfeld geben muss (bei Rabenäußig). So orientiert der Menhir bei Benzingerode den Abzweig von der Nordtangente des Harzes auf dessen Höhenkamm hinauf.). Trotzdem scheint es auch in den deutschen Mittelgebirgen Unmengen davon gegeben zu haben, wenn auch nicht so groß wie in der Bretagne (Bsp. Langenbach am Rennsteig). Als ich den Langenstein in Ettersburg (wichtige Nord-Süd-Kreuzung) gesucht habe, fiel mir auf, dass dort jeder zweite Häuslebauer eine Großsteinsetzung im Vorgarten hat. Die scheinbar künstlich bearbeiteten Brocken seien bei den Erdarbeiten zum Vorschein gekommen. Das typische Schicksal von Findlingen, die zu Menhiren gemacht wurden! Nicht nur im romantischen 19. Jahrhundert versetzte man sie gerne an „schöne“, ausgewählte Plätze, auch heute: Fragt man z. B. in Grimmelshausen nach der Herkunft des menhirförmigen Gebildes am Aufstieg nach Trostadt, wird einem der heutige Friedhof genannt. Dort liegen noch viele herum und genau da kreuzte der alte Werra-Hochweg mit einem Furt-Hohlweg vom keltischen Oppida auf der Steinsburg kommend.
Steinkreuz an der Wilden Sau auf dem Rennsteig
Auch ich war von den Menhiren in der Bretagne am meisten beeindruckt. Kein Wunder, dass nachfolgende Kulturen sie verehrten. Schon von einem Boot aus sind die langen Kerle auf den Höhen zu erkennen. Denkt man sich die ganze heutige Infrastruktur dort weg, so stehen die Monolithen immer hinter einer mutmaßlichen megalithischen Küstensiedlungen und weisen die Richtung zu einem wasserscheidenden Höhenzug, der durch die ganze Halbinsel Richtung Pariser Becken führt. Nun bin ich zwar kein Spezialist in Sachen bretonische Altwege, aber zwischen Languidic und Malansac bin ich solch einen menhirgespickten Urweg mal mit dem Fahrrad abgefahren. Die Spur ist heute noch kaum zu verfehlen. Bei den sog. Steinreihen wird diese Richtungsanzeige besonders deutlich (Bsp. die Alignements von Lagatjar). Selbst die berühmten Massen-Reihen von Carnac führen in diesem System letztendlich zur einer günstigen Furt über den Fluss Auray. Dass die Reihen später so dekadent ausgebaut wurden, haben sie mit allen megalithischen Anlagen gemeinsam: immer mehr, wuchtiger, größer. Übrigens scheinen sich alle Steinreihen Europas in dieses Schema als Wegweiser einzufügen. Bei den Hekeser Steinen von Berge-Hekese in Deutschland beispielsweise, ist der Hellweg nicht weit, beim Gräberfeld von Stenehed in Schweden der dortige Nordweg, die Menhire von Clooney in Irland führen Schiffsreisende aus dem gewaltigen Mündungsgebiet des Shannon heraus und die Alignements von Palaggiu auf Korsika geleiten zum zentralen Kammweg der Insel.
Die Zwölf Apostel bei Langenbach am Rennsteig
Auch die 12 Apostel bei Langenbach am Rennsteig fallen in diese Kategorie als kürzeste Verbindung vom Saale- zum Maintal. Das sollen übrigens auch mal 12 „Apostel“ gewesen sein. Die 4 Monolithen in Suhl zeigen den effektivsten Aufstieg vom Tal der Lauter zum Rennsteig an (Das Tal daneben Richtung Zella-Mehlis war noch im Mittelalter eine versumpfte Felsschlucht). Die 15 Menhire an der Warte nördlich von Flinsberg sollten die Kreuzung von Heidenstraße und dem Hainicher Rennstieg markieren.
Die meisten Menhire aber stehen einzeln, leiten von einem sichtbaren Horizont einfach zum nächsten und das sind naturgemäß die höchsten Erhebungen in der Gegend. Vielleicht sind so einige Menhire auch auf Hügelgräbern gelandet, denn die scheinen aus der nachfolgenden Epoche zu stammen. Überall dort, wo archäologisch gegraben wurde, konnte diese kulturelle Abfolge nachgewiesen werden (Bsp. Menhir vom Quedlingburger Honigkopf oder die Speckseite von Aschersleben). Wahrscheinlicher aber nutzten die ersten Bauernführer gerne vorhandene Wegweiser als Krönung für ihre Grabhügel.
Vom Mehir zum Marterl
Mit Sicherheit wurden die Menhire zu jeder Zeit auch angebetet. Noch heute deuten populärwissenschaftliche Autoren sie ja gerne als Schöpfungen von Außerirdischen. Sie lachen? Diese „Ehrfurcht“ scheint die Menschen bis in unsere Zeit davon abzuhalten, nach den rationalen Hintergründen für ihre Aufstellung zu fragen.
Nur wenige Menhire weisen frühe künstliche Ritzungen auf, wie der Menhir von Kermaillard oder der Sonnenstein in Beckstedt bei Colnrade. Letzterer könnte die Kreuzung von Reuterweg (Folkweg) mit dem „Hellweg vor dem Sandforte“ kennzeichnen. Die mehr symbolischen Zeichen aus der Frühzeit können gut von den nachträglichen Schriftgravuren des Mittelalters unterschieden werden. Auf dem bereits genannten Hahnberg (Rhönhöhenweg ins Erfurter Becken) wollen Heimatforscher in künstlichen Großsteinritzungen nicht nur ein Gesicht, sondern auch das damalige Wegesystem dort erkannt haben.
Natürliche Kerben, die aber mit dem
alten Wegesysterm übereinstimmen
Ähnliche künstliche „Landkarten“ befindet sich in Clingen nahe der latènezeitlichen Funkenburg an einem Abzweig zur Kleinen Wartburg und östlich von Struth, am Rennstieg auf dem Hainichkamm. Natürlich weiß niemand, wann diese Ritzungen vorgenommen wurden. Aber eine sich deutlich teilende künstliche Linie auf einem Menhir an einem Altstraßenabzweig wird niemand aus Jux und Tollerei angebracht haben. Ein Einzelner könnte noch mit „Mutter Natur“ begründet werden, aber mehrere? Die Römer haben dieses Prinzip übrigens für ihr aufwendiges Straßensystem übernommen und in stilvoll gestalteten Säulen zur Vollendung gebracht.
Doch dann setzte ab 400 unserer Zeit die Christianisierung ein! Während das die römischen Verkehrsplaner noch nicht zu beeindrucken schien, wird ab 800 ein Wandel der Wegzeichen deutlich. Der jetzt von den Franken mit Macht durchgedrückte Glaube sollte alle Lebensbereiche vereinnahmen: Auf die ehemals keltischen Höhensiedlungen wurden Kapellen und Kreuze gesetzt, ihre Kultstätten erhielten Beinamen von christlichen Heiligen (Ottilie-, Michael-, Kilian-, Peter-). Das soll von den damaligen Päpsten ausdrücklich so gewünscht worden sein.
Kreuz notdürftig aus Menhir gemeißelt
Dieses Schicksal muss auch viele Menhire getroffen haben, besonders dort, wo die Urwege noch als mittelalterliche Altstraßen benutzt wurden. Praktischerweise scheint man dazu vorhandene Menhire einfach „christianisiert“ zu haben, in dem man aus ihnen das Kreuz vor Ort „heraus meißelte“. Das lässt sich an vielen Beispielen illustrieren: Der Berühmteste davon ist der Menhir von Saint-Uzec, der bezeichnenderweise an der Rue de Menhir steht, die von der bretonischen Küste ins französische Kernland führt. Aber auch in den Thüringischen Rheinsbergen zwischen Arnstadt und Kettmannshausen an der Schanze Hasselkoppe steht solch ein „nachgenutztes“ Prachtexemplar. Der Steilhang dahinter zeigt hier einen Zwangs-Abzweig der Altstraße von Arnstadt Richtung Süden an. Viel Mühe kann sich der neu bekehrte Steinmetz dort allerdings nicht gegeben haben. Auch die zwei Ideal-Vertreter ihrer Gattung im Thüringischen Küllstedt könnten so entstanden sein. Der nichtbearbeitete Menhir daneben lässt eine ehemalige Steinreihe vermuten. Auch am Rennsteig scheint es die Steinmetzen nicht lange gehalten zu haben: Das Possenröder Kreuz und das an der Wilden Sau sehen wie ehemalige Monolithen an der Kreuzung des Höhenfernweges mit Passstraßen aus. Beim Steinkreuz von Roßhaupten an der Via Claudia Augusta über die Alpen wurden einfach mehrere Menhire „zusammen geschraubt“. Auch das Frabillenkreuz bei Ferschweiler sieht unfertig aus.
Überall zu finden: Steinkreuze in Europa
Alleine in Deutschland soll es 4000 Steinkreuze geben. Wie viele davon aus der Frühzeit stammen, weiß natürlich niemand. Sicher können auch neue Wummis aus Steinbrüchen heran geschleppt und bearbeitet worden sein. Deutlich erkennbar aber, dass sie die gleiche Funktion wie die Menhire ausfüllten: Sie stehen prinzipiell an Kreuzungen und Abzweigungen von Altstraßen.  Den überwiegenden Teil listet „suehnekreuz.de“ auf. Dort werden die Steinkreuze als Denkmale mittelalterlichen Rechts beschrieben. Sie sollen als Buse für ein begangenes Verbrechen aufgestellt worden sein. Tatsächlich müssen solche Verpflichtungen in einigen s.g. Sühneverträgen des 13.-16. Jahrhunderts aufgetauchen. Wenn dem wirklich so ist, dann hätten die Delinquenten ihre Kreuze nach den gleichen Prinzipien aufgestellt, wie es die prähistorischen Wegebereiter an oder zu Altstraßen vorgemacht hatten. Das ist denkbar: Religiöse Strafe als Dienst an der Allgemeinheit, für Handel und Heer. Schließlich war der Aufwand enorm! Trotzdem bleiben Urkunden die Ausnahme. Die aufwendig gestaltete Webseite räumt übrigens ein, dass es auch andere Steinkreuze geben muss, hinterfragt aber nicht die gängige Lehrmeinung.
Wegezeichen über den ganzen Kontinent verteilt
Besonders an den Kammwegen lässt sich die Funktionsübernahme als Richtungsanzeiger gut festmachen: Von all ihren Standorten - zumindest dort, wo mutmaßlich nicht versetzt wurde - führen tiefe Hohlwege hinab zu den mittelalterlichen Siedlungen. Beispiele wären der seit der Kupferzeit begangene Höhenweg zwischen Schleusingen und Dietzhausen mit noch 2 erhaltenen Kreuzen, der Rennsteig mit 4, der Rennstieg über den Hainichkamm immerhin mit 7 Kreuzen. Und genau an ihren Standorten befinden sich jeweils die Pässe der die wasserscheidenden Höhenrücken querenden Altstraßen. Am Schleusinger Weg erkennt man auch gut die spätere Verlagerung von solchen Wegen. Eines dieser Denkmale steht mutterseelenallein mitten im Wald, abber genau an der Kammlinie.
So müssen die Kreuze den uralten Brauch fortgeführt haben. Sicher gab es einmal viel mehr davon, aber in den vergangenen Jahrhunderten wurden sie - wie die Mehire - für Hausbau, Landwirtschaft und Parkgestaltung gnadenlos zerstört, umgesetzt, bestenfalls nur fremdgenutzt. In Wipfra ist ein riesiges Steinkreuz in der Kirchenmauer verarbeitet. Wahrscheinlich wurde der vormalige Weg verlagert. Flurnamen aber wie „Hüner- oder Hinkelstein“, „Langer“ oder „Dicker Stein“ bezeugen sie auch ohne noch heute sichtbare Denkmale.
Vom Christentum vereinnahmte Heidenplätze
Das gleiche trifft auch auf bezugslose Geländebezeichnungen wie „Hohes Kreuz“, Rotes Kreuz“ oder „Kreuzweg“ zu. Ich möchte nicht wissen, wie viele Steinkreuze in Kirchen und Friedhöfen vom Weg nebenan stammen. Nicht umsonst liegen alte Friedhöfe gerne an hohlwegeintensiven Ausfallstraßen. Als sicher kann aber die spätere Verarbeitung von Menhiren zu anderen wegebegleitenden religiösen oder weltlichen Denkmalen angenommen werden, wie Bildstöcke oder Marterl, Grenzsteine oder Wegmonumente. Das eingemeißelte „Mainzer Rad“ am sog. Spinnradstein südlich von Schalkau (an einem urnenfelderzeitlichen Weg über den Thüringer Wald) kann nur aus dem 17. Jahrhundert stammen. Der Taufstein von Eschfeld könnte ebenso in diese Kategorie fallen, wie der „Vachaer“ Stein am Rennsteig oder einige der „Dreiherrensteine“. Und natürlich Tausende Grenzsteine, die besonders gerne „altwegeverdächtige“ Wasserscheiden flankieren.
Holzkreuze auf alten Kultplätzen und Fernwegen
Mit dem verstärkten Verkehrsaufkommen im Hochmittelalter, der Entwicklung der Dörfer in den Flussniederungen und der Massenpsychose allgemeiner Frömmigkeit, scheint man mehr und mehr zu Holzkreuzen übergegangen zu sein, später zu solchen aus Eisen. Das war effektiver, man konnte ja allerorts nach dem Weg fragen, oder sich durch „Vorspanndienste“ über sog. „Leiten“ zu den Kammwegen hinauf leiten lassen. Mit ihren Standorten wieder, vorrangig an Aufstiegen bzw. Abgängen alter Heer- und Handelsstraßen, verraten sie uns, welcher Traditionslinie sie folgen. Oder haben Sie eine Idee, warum vielleicht 90 % aller Wege-Kreuze auch an Pässen von Kammwegen stehen? Natürlich wurden sie wie Menhire, Steinkreuze oder Bildstöcke wieder angebetet. Die Mähr aber von Danksagung und des Wunsches „nach eine sichere Reise“ könnte mit ihrer Lage zusammenhängen. Jeder wird die Kreuze für ein Gebet genutzt haben, wusste er doch gleichzeitig, in welche Richtung es weiter ging. Die Steinkreuze in Niederungen, wie östlich von Burgellern, stehen ebenfalls in Bezug zu alten Straßenfurten und wecken Zweifel an den "Bergpredigen" der Händler. Dass die meisten im Eichsfeld und in Bayern zu finden sind, muss nicht ausschließlich der höheren Religiosität dort geschuldet sein.
römische Postsäule
Im Bergland konnten die Relikte halt nicht so schnell durch Industrie und Landwirtschaft untergebuttert werden. Und heute werden sie als Denkmale geschützt. Er fällt aber auf, dass in „reformistischen“ Gebieten irgendwann Buchen und Eichen statt Kreuzen an Wegegablungen auftauchen, die manchmal durch Nachpflanzung bis heute überlebt haben. Dort wo die alten Pfade in der jüngeren Neuzeit noch benutzt wurden (Poststraßen), finden sich auch oft Steinsäulen und -monumente, die Richtung und Entfernung angeben.
Nicht immer ist der Wegebezug von Bergkreuzen sofort erkennbar: Über Bad Neustadt stehen abseits des alten Ortesweges 3 Marterln scheinbar sinnlos in den Feldern um Dürrnhof herum. Bei Beachtung der Hohlwege ins Tal der Fränkischen Saale aber zeigen sie 3 unterschiedliche Trassen über den Höhenrücken dort an. An den dabei tangierenden vorzeitlichen Befestigungen kann man sogar die Zeit der jeweiligen Wegenutzung ablesen: Luitpoldshöhe - Bronzezeit, Rothenberg - von der Urnen- bis zur Keltenzeit, Altenberg - Frühmittelalter, Salzburg - Hochmittelalter. Wie man so etwas mit Hilfe der Theoretischen Archäologie interpretieren kann, finden sie wieder in eingangs genanntem Post. An einigen Stellen wurde sogar die Zeit der Steinkreuze einfach übersprungen: An den Menhir bei Zams im Inntal, wieder an der Via Claudia Augusta, befestigte man einfach ein Holzkreuz. Über die Jahrhunderte entstanden so Wegführungen, die teils von Menhiren, Stein- Eisen-und Holzkreuzen, teils von Kapellen und Steinhufen begleitet wurden. Typisch auf dem durchgehenden Höhenrücken zwischen den Oppida Staffelberg und Turmberg (Kasendorf/Thurnau) zu verfolgen.
fauler christlicher Steinmetz
So scheinen also die „moderneren“ Christlichen Symbole die alte Tradition fortzuführen. Doch niemand scheint diesen Zusammenhang zu erkennen. Dass die Heimatforscher lieber den Sagen und Märchen folgen, mag ja noch angehen, aber die Wissenschaft? Da schlussfolgern „Experten“ aus der heutigen Gepflogenheit, Kreuze nach tödlichen Verkehrsunfällen am Straßenrand aufzustellen: "Das muss schon immer so im freien Gelände gewesen sein." Da wird aus der christlichen Grabsteintradition abgeleitet, dass an Kreuzen prinzipiell Leichen vergraben sind. Vielleicht gab es einzelne Beispiele, wo in der Neuzeit Menschen auf den Höhen beerdigt wurden, aber ich kenne keinen Fall, wo im Umfeld der Kreuze auch Skelette oder Urnen aus dem Mittelalter gefunden wurden. Wenn, stammen diese aus prähistorischer Zeit und sind mit entsprechenden Flurnamen belegt (Ascheberg, Tote Männer, Gericht...). Auch dass hier während der Reise Verstorbene beerdigt worden sein sollen, macht wenig Sinn: Gefolgsleute hätten einen Tag für die Beerdigung gebraucht, nach Wochen mit dem fertigen Kreuz wiederkommen und einen weiteren Tag für das Aufstellen des Kreuzes verwenden müssen. Heute wie damals für zielorientierte Händler und Soldaten undenkbar. Bei Hussitenkreuzen, Schwedenkreuzen, Franzosenkreuzen wird gerne aus dem Bestimmungswort auf die Funktion geschlossen. Das scheinen aber die gleichen Volkssagen wie bei den sog. Schwedenschanzen zu sein! Überall dort, wo an ihnen archäologisch gegraben wurde, kamen Artefakte aus der Frühzeit zu Tage. Auch bei den „Wetter- oder Hagelkreuzen“ gibt es nur vage Vermutungen.
Ich halte es mit der Theorie, wonach religiöse Handlungen immer aus einem praktischen Nutzen heraus entstanden waren. Echte Ausgrabungsergebnisse könnten mich ja überzeugen, aber nicht, wenn Mutmaßungen von mittelalterlichen Deutern als urkundliche Fakten ausgegeben werden. Solange bleiben Menhire für mich Richtungsweiser aus megalithischer Zeit, die in frühmittelalterlichen Steinkreuzen aufgingen und durch solche aus Holz in der Tradition hochmittelalterlich fortgeführt wurden. Zum Schluss müssen langlebige Bäume bzw. Postsäulen diese Funktion übernommen haben.


Anlage: Weitere Beispiele von Menhiren an Altstraßen in Mitteldeutschland 

Standort                             
Weg/Richtungshinweis


Orlishausen                                            
Heerweg
Zweig Via Regia
Wetzstein Buttelstedt                 
Kupferstr./Via Regia
Döben          
Hohe Landstr.
Kaltenwestheim    
zum Hochrhönweg                 
Steudten                 
zur Hohen Landstr.
Edersleben                          
Kupferstr.   
Grimma
Hohe Landstr.
Feldengel                                                
Heidenstr.   
Zschoppach
zur Hohen Landstr.
Nohra (Nordh.)                                    
Heidenstr.   
Kuhturm Leipzig   
Heidenstr.
Aschersleben (beide)                  
Kupferstr.
Battgendorf                                               
Heidenstr.
Großstorkwitz
Via Imperii
Bad Dürrenberg    
zur Heidenstraße
Hohenleina 
Alte Salzstr.
Bennstedt                           
Hohe Landstr.
Krostitz                    
zur Via Imperii

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