Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Donnerstag, 14. September 2017

Ötzi`s Hochgebirgs-Lager

Ötzi-Mumie mit beim Sturz gebrochenem Arm
Über Ötzi, die Gletschermumie aus der Kupferzeit dürfte alles gesagt worden sein. Denkste! Der Mann aus dem Eis könnte der erste Fernhändler über die Alpen gewesen sein. Wer da oben am Pass zwischen Similaunhütte und Finailspitze unterwegs war und sich je mit altsteinzeitlichen Lagerplätzen beschäftigt hat, kommt mit einer klaren Erkenntnis zurück: Ein komfortabler Rastplatz, keine 20 Meter von seinem Fundort entfernt, könnte von einem regelmäßig begangenem Pass am Tisenjoch zeugen.

Der Lagerplatz
Der Alpenhauptkamm sieht dort wie ein explodiertes Zeughaus aus. Es dominieren gewaltige Bruchsteine, kreuz und quer übereinander gestapelt. Viel anders kann es vor 5200 Jahren da auch nicht ausgesehen haben. Mitten in dieser Steinwüste aber ragt ein tempelartiges Gebilde empor: Mehrere natürlich gewachsene Felsen steigen 3-4 Meter senkrecht in die Höhe und rahmen einen windgeschützten Platz U-förmig ein. Die Fläche dazwischen ist vollkommen eben, scheinbar sauber beräumt. Mit ihren vielleicht 10 mal 5 Metern bildet sie einen idealen Lagerplatz für mehrere Personen. Nach Aussage einheimischer Wanderer gibt es nichts Vergleichbares weit und breit. Wer je auf 3200 Metern Höhe bei nasskaltem Wetter gewandert ist, weiß, wie überlebenswichtig solche Unterkünfte sind. 5-6 dicke Äste, mehrere Lagen Rinde und beschwerende Steine drauf - fertig war das Basislager für die Überwindung des Hochgebirges. Solche Dächer finden sich noch heute auf den Trockenmauer-Hütten der neuzeitlichen Almhirten. Aber auch diese nutzen, wo immer es geht, natürliche Felsen als Wände.
Der Fundort
Direkt an unserem Felsendom führt eine Art Schneise vorbei, an der der Herrgott wie zufällig weniger Felsbrocken verstreut zu haben scheint als anderswo. Jedenfalls kann man hier problemlos vom südlichen Schnals- ins nördliche Ötztal steigen. Erfahrene Wanderer schaffen das unter guten Bedingungen an einem Tag. Alle weiteren Strecken von Italien, über Österreich nach Deutschland lassen sich dann im Tal abwickeln. War also Ötzi der erste Reisende auf einer Kontinentalroute vom Mittelmeer nach Skandinavien?
Was wurde dem Gletschermann nicht alles angedichtet: Ein Häuptling auf der Flucht vor seinen Nachfolgern, Opfer eines Raubmordes, Subjekt eines Ritualbegräbnises im Gletscher. Ohne mich an den Spekulationen zum genauen Ablauf seines letzten Tages zu beteiligen, die entscheidende Frage bleibt: Was hatte der Typ da oben zu suchen? Wer sich mit Alt- und Urstraßen beschäftigt kommt zwangsläufig auf die Hypothese eines Fernhändlers. Schauen wir uns gleich die Gegenargumente an:
  1.  Ötzi war kein Reisender, Ötzi war auf der Flucht vor seinem Mörder!
    Ötzis alpine Ausrüstung
    Diese schon mehrfach widerlegte These scheint sich beim interessierten Publikum eingebrannt zu haben. Dabei deutet die perfekte Ausrüstung auf einen mit viel Erfahrung geplanten alpinen Ausflug hin: Vom weichen Ziegenhautschlüpfer, Rundum-Pelz bis hin zur Wind- und Regenschutzmatte. Für ein Lagerfeuer durfte auch ein Glut-Beutel für glimmende Holzkohle nicht fehlen. Das ausgiebige Mahl vor seinem Tod wird er an einem sicheren Platz eingenommen haben. Die Spalte, wo er gefunden wurde, gibt das nicht her. Wer je die anstrengenden 1400 Höhenmeter vom Vergölst-Stausee zum Tisenjoch gestiegen ist, weiß, dass ein Fliehender unendlich viel Platz nach allen Seiten des Tales gehabt hätte.
  2. Ötzi war ein Hirte, der sich ausschließlich am Südhang bewegte!
    Ötzis Nachbildung: Ein Typ wie du und ich
    Wissenschaftler rekonstruierten aus seinem Mageninhalt ein Bewegungsprofil, dass gut zu einem Alpen-Dauer-Überwinder passt: Erst Baumgrenze, dann Abstieg ins Tal und nicht viel später wieder hoch. Mit Viehzeug dürfte das dauern. Was aber hat er geholt? Handelsgut, das im Norden gut abzusetzen war? Vielleicht aber doch nur Proviant als Tierhalter? Auch wenn die Baumgrenze damals um 400 Meter höher gelegen haben soll - ein lohnender Viehauftrieb in diese Steinwüste bei 3200 Metern ist bei der damaligen Bevölkerungsdichte kaum vorstellbar. Genanalysen machten außerdem Nachkommen Ötzis sowohl in Süddeutschland als auch am Mittelmeer ausfindig. Seine Samen mussten also irgendwie über das Hochgebirge getragen worden sein.
  3. Damals gab es noch gar keine Handelsstraßen im Hochgebirge! Prof. Walter Leitner, von der Uni in Innsbruck erforscht seit Jahren genau solche Fernverbindungen an Hand der tangierenden Lagerplätze vor vielleicht 7000 Jahren https://www.uibk.ac.at/himat/archiv/public-relations/press/press2011/02.10.2011_ard_rofan_hexenfels.pdf. Aus dem Fundmaterial an solchen durch Felsen geschützten Plätzen vermutet er als Handelsgut Feuerstein.
    Ötztis Route rot, Saumweg lila, Via Claudia Augusta blau
    Das wurde bis ins Böhmischen Becken getragen. Ein solches Basislager, wie oben an der Passkette, fand Leitner auch in Vent, genau dort wo Ötzi als Alpenbezwinger aus den Bergen gekommen wäre. Diese mutmaßliche Route stellt die kürzeste gangbare Verbindung zwischen der Apenninenhalbinsel und Mitteleuropa dar. In den Nachbartälern fand man übrigens die später angelegten Saumpfade der eseltreibenden Händler aus der Bronzezeit. Noch später, als die Kelten in Heerscharen über die Alpen zogen, entstand daraus die Route über den Reschenpass nebenan, die die Römer dann als Via Claudia Augusta ausbauten. Sie galt bis ins Mittelalter als kürzeste und sicherste Straße in den Süden.
  4. Warum aber hat Ötzi dann nicht den tiefer gelegenen Pass an der heutigen Simnaunhütte genommen?
    Ötzis Route rot, Fundplatz, Similaunhütte, Alpenhauptkamm gelb
    Man muss diesen Horroraufstieg dabei gar nicht selbst gemacht haben. Jedes Luftbild zeigt an, dass der Weg über den Simnaunpass unweigerlich durch schroffen Fels führt. Das sind zwar nur 500 Meter, die aber die dreifache Zeit in Anspruch nehmen würden und mit Gebäck einfach nicht zu bezwingen sind. Zum Ötzi-Fundplatz aber und damit zu unserer Lagerstelle, kann man sich weiter durch die Geröllhalden schlängeln.
  5. Der domartige Lagerplatz kann nur eine Laune der Natur darstellen! Das halte ich für ausgeschlossen.
    Bitte Bild öffnen: links hinter dem Monument der geschützte Platz
     Solch eine ebene glatte Bodenfläche da oben muss von Menschenhand geschaffen worden sein. Im hinteren Bereich des „Tempels“ könnten Nischen als „handgemacht“ interpretiert werden und eine schwarze Vertiefung als Feuerstelle. Da müssen aber Experten ran. Der Vergleich jedenfalls mit anderen kupferzeitlichen Lagerstellen wie der o.g. Hohle Stein bei Vent oder der Hexenstein am Krahnsattel im Rofangebirge legen das nahe.
  6. Die Behausung wurde von späteren Hirten oder Passbezwingern angelegt! Das ist möglich. Aber die Nähe zu Ötzis Fundort, die Effizient eines möglichen frühzeitlichen Nord-Süd-Verbindung, das Prinzip der wegesichernden Handelsposten und die geologische Struktur des Alpenhauptkammes da oben sind für mich eindeutige Indizien. Irgendwie müssen die kupferzeitlichen Handelsgüter ja über das Hochgebirge gekommen sein.

Der Mann aus dem Eis
Ötzi also der erste Fernreisende, noch dazu über ein Hochgebirge? Unsicher bleibt die Frage nach dem Handelsgut. Wer weiß denn, was der mordende Bogenschütze alles weggeschleppt hat. Die Analen rund um Ötzi und sein Museum in Bozen sagen nichts darüber aus. Kupfer halte ich für zu schwer, Feuerstein müsste auch explizit archäologisch nachgewiesen werden. Ich frage mich, warum die Archäologen an Ötzis eisigem Grab nicht auf den Felsendom aufmerksam wurden. Auch hier gibt kein öffentlich zugängliches Manuskript etwas her. Es wäre aber nicht die erste archäologische Sensation, die die Experten übersehen hätten. Einen zeitlichen Nachweis könnten sowieso nur wissenschaftliche Untersuchungen bringen. Vielleicht sollt Prof. Leitner mal bei seinen italienischen Kollegen um eine Grabungslizenz nachfragen.