Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Mittwoch, 8. Juli 2020

Als es mehrere Päpste gleichzeitig gab

Avignon
Das 14. Jahrhundert ging in die Kirchengeschichte mit dem mit dem sog. Abendländische Schisma ein. Das war eine zeitweilige formelle Spaltung innerhalb der lateinischen Kirche. Im italienischen Rom und im französischen Avignon bildeten sich von 1309 bis 1417 konkurrierende Papstansprüche heraus. Bekanntlich hat der Vatikan in Rom gewonnen. Trotzdem war Avignon einstiger Nabel der Welt. Und da sich anschließend niemand mehr für die Südfranzösische Stadt an der Rhone interessierte, gefror sie quasi im damaligen mittelalterlichen Zustand ein.
Mittendrin und alles dominierend: der gotische Papstpalast, die Bischofsanlage, die komplett erhaltene Stadtmauer, die berühmte zerstörte Brücke, ja selbst der Felsen, auf dem das alles thront - heute zählt das gesamte Ensemple zum UNESCO-Weltkulturerbe. Durch ein Volkslied ist es in aller Munde: Sur le pont d’Avignon…
Der Liebe Gott scheint von Anfang an ein Auge auf das Gemeinwesen geworfen zu haben. Avignon liegt am Zusammenfluss Rhône und Durance, nicht weit vor deren Mündung ins Mittelmeer. Die Besiedlung geht bis in die Jungsteinzeit, ins vierte Jahrtausend vor Christus zurück. Hier auf dem steilen Felshügel, dem Rocher des Doms waren die Bewohner sowohl vor Feinden als auch vor dem regelmäßigen Hochwasser geschützt.
Dank der günstigen strategischen Lage gründete das keltoligurische Krieger- und Fischervolk der Kavaren eine erste befestigte Ansiedlung mit dem Namen Aouenion. Das soll so viel wie „Herr der Wasser“ bedeuten. Der gerieten im sechsten oder fünften Jahrhundert vor Christus in den Einflussbereich des griechischen Handelspostens von Marseille. Unter der ab 48 v. Chr. beginnenden römischen Herrschaft wird die Stadt und der Flusshafen ausgebaut. Davon sind aber nur wenige Überreste erhalten geblieben, wie Teile einer Säulenhalle und eines Forums.
Natürlich prüfte der Herrgott seine Schäfchen auch nachhaltig. Während der Völkerwanderung ging die Bevölkerungszahl in Avignon durch Kriege und Epidemien stark zurück, so dass wieder nur noch der Felsen, der Rocher de Doms besiedelt blieb. Als sich die Stadt 737 sogar mit den in die Provence einfallenden Sarazenen verbündete, ließ der fränkische Heermeister Karl Martell die Stadt als Vergeltung bis auf die Grundmauern niederbrennen. Was übrig blieb gehörte nun zu mehreren selbständigen Königreichen, die 1032 in das Heilige Römische Reich einverleibt wurden und damit dem deutschen Kaiser unterstanden. Republik nach italienischem Vorbild. In dieser Zeit entstanden ein erster Mauerring und die jetzt steinerne St.-Bénézet-Brücke, damals die längste Europas. Damit entwickelte sich die Stadt zu einem bedeutenden Verkehrsknoten im Süden Frankreichs. Man schwebte so 200 Jahre relativ friedlich zwischen den Machtblöcken. Der Herr gibt - der Herr nimmt:
Die Rhône bildete zum Königreich Frankreich von nun an die neue westliche Grenze des Kaiserreiches und konnte nur über die alte Holzbrücke bei Avignon überquert werden. Im zwölften Jahrhundert errang die Stadt den Status einer sich selbst verwaltenden
Denn schon ging es mit der Spalterei los: Zurzeit der der sog. Albigenserkriege kämpfte Avignon auf Seiten der Sektierer. Der französische König ließ die Stadt 1226 aushungern und zerstören. Er schaffte deren kommunale Selbstverwaltung ab und unterstellte sie einem königstreuen Grafen.
Anfang des vierzehnten Jahrhunderts eskalierten die Machtkämpfe zwischen den Bischöfen in Rom. Und da diese auch immer durch die Interessen ihrer jeweiligen Landesherren gesteuert wurden, setzte sich das französisch dominierte Kardinalskollegium einfach nach Frankreich ab. Clemens V. war 1304 der erste Papst, der sich auf französischem Boden krönen ließ. Das war damals noch in Lyon und ging natürlich nicht ohne die Unterstützung des französischen Königs. Clements Nachfolger Johannes XXII. war vorher Bischof von Avignon und blieb gleich in seinem alten Palast. Die folgenden französischen Päpste machten das zur Tradition und die Festung wurde nach und nach zu ihrer heutigen Monumentalität ausgebaut.
70 Jahre dauerte das sog. Abendländische Schisma. Insgesamt residierten sieben römische Päpste in der Stadt, dazu zwei Gegenpäpste, die nicht von der katholischen Kirche anerkannt wurden. Das ursprüngliche Problem zwischen Frankreich und Italien wirkte sich auf die gesamte Christenheit aus. Der Papst verlor seine überparteiliche Universalität und durch die Spaltung auch an weltlicher Macht. In Rom setzte man einfach eine Gegentruppe ein. In den folgenden Auseinandersetzungen gab es zeitweise sogar 3 Päpste. Alle Versuche der Einigung scheiterten. Erst durch die Vermittlung des römisch-deutschen Königs konnte die Spaltung 1417 aufgehoben werden. Avinion hatte das Nachsehen.
Die Stadt blieb unter Verwaltung eines päpstlichen Gesandten. Als 1481 die Provence an das Königreich Frankreich fiel, hatte sie sogar den Status einer päpstlichen Enklave auf französischem Boden.
Doch nun schien es mit der Zuneigung des Allmächtigen vorbei zu sein. Avignon wurde in die Hugenottenkriege verstrickt, verlor während einer Pestepidemie ein Viertel seiner Bevölkerung, die Steinbrücke Pont Saint-Bénézet ging durch Hochwasserschäden verloren und zur Französische Revolution zerstörte man viele Kunstwerke in der Stadt.
Dennoch: Wer außer Rom kann sich schon Papststadt nennen? Dass man schon über 500 Jahre nicht mehr auf der Weltbühne mitspielen kann, scheint hier eher als Vorteil wahrgenommen zu werden. Die Einwohner wissen jedenfalls, wie man aus der alten Glorie Kapital schlagen kann. 

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