Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Montag, 25. November 2019

Das Prähistorische Rügen

Rügen und seine prähistorischen Hinterlassenschaften
Versuch einer Differenzierung der Wirkungsrichtung mutmaßlicher Katastrophentsunamis

Die Ferieninsel in der Ostsee ist nicht nur wegen tausender archäologischer Denkmale ein Eldorado für Hobbyhistoriker, ihre ganze archaische Geografie, ja heutige Infrastruktur, scheint ein Abbild krisenhafter urzeitlicher Siedlungsschwankungen zu sein. Nur: die massenhaft auftretenden, meist komplett erhaltenen Hügelgräber passen nicht in die Chronologie der hier vertretenden Katastrophentheorie. Sie scheinen alle verheerenden Fluten an die Küsten Europas schadlos überstanden zu haben.
Die meisten Relikte sind offiziell einzuordnen und können die Abfolge gut erklären:
Großsteingräber, ehemalige Steinkammern, die
mit Erde überdeckt waren
Die Großsteingräber, sog. Dolmen, zu megalithischer Zeit modern, hier also zwischen 3500 und 2200 v. Chr. Die Hügelgräber stammen ausweislich ihrer Beigaben aus der Bronze-bzw. Früheisenzeit, hier auf Rügen nach 1800 bis einiges vor der Zeitenwende. Die Wallanlagen sollen alle slawisch sein, also von 800 bis 1200 vielleicht. Und da geht es schon los: Was war in den Zwischenzeiten? Keine Funde - keine Menschen! Wo haben die Erbauer der Großstein- und Hügelgräber gelebt? In den sturmflutbedrohten Niederungen wohl kaum! Wer sich die Karte mit den frühzeitlichen Denkmalen anschaut, erkennt zunächst die Konzentration aller Artefakte auf den hügeligen Südwesten der Insel.
Das passt: Nach der Katastrophentheorie, wie sie von Bernhard Hänsel, Frank Falkenstein u.a. vertreten wurde, müssen um 1200 v. Chr. riesige Flutwellen - ausgehend von einer Super Nova des isländischen Vulkans Hekla - das gesamte küstennahe Flachland Europas überschwemmt haben. Der Monster-Tsunami könnte also auch den Nordwesten Rügens erreicht haben. So etwas bleibt lange im Gedächtnis der Menschheit haften: Die frühen Siedlungen mussten auf der „Gegenseite“ des Hekla entstehen, so hoch wie möglich, bei 90 m war allerdings Schluss. Eigentlich nicht viel für die von Meeresforschern vermuteten Riesenwellen.
Bronzezeitliche Hügelgräber, deren Erdabdeckung
nicht abgeschwemmt wurde 

Auch die Großsteingräber passen: Sie waren ja beim Bau nachweislich ebenfalls mit Erde überdeckt und sahen wie die späteren bronzezeitlichen Hügelgräber aus, vielleicht etwas höher. Die Fluten müssen nicht nur die Erdabdeckung der Steinkammern hinweg geschwemmt haben, sie scheinen so stark gewesen zu sein, dass fast alle „Tischkonstruktionen“ durcheinander gewirbelt wurden (Siehe Post: Dolmen und andere Großsteingräber als Indikatoren verheerender Flutwellen). Der Laie sieht heute nur ein paar große Brocken sinnlos im Geländer herumliegen. Kaum einzuschätzen ist natürlich, was da zusätzlich erst später von Menschenhand zerstört wurde. Aufmerksamen Wanderern über die Insel dürfte nicht entgangen sein, dass die erhaltenen und dadurch bekannten Großsteingräber höchstens ein Zehntel aller auf der Insel vorhandenen Großsteinansammlungen ausmachen. Und - wen wundert’s: Solche Findlingskonzentrationen treten prinzipiell nur neben scheinbar eingeebneten Höhen mit künstlich versteilten Abhängen auf (meist Magerrasen, hier als Schanzen bezeichnet).
Von denen tragen dann einige auch noch zweifelsfreie Namen: Hagener Berg (am Schmachter See), Franken-berge (bei Sellin), Plan-sberg (Göhren) oder Baken-berg (bei Posewald). Sie trennen sich typischerweise durch tiefe unnatürliche Gräben von den Nachbarbergen ab, wie nördlich von Altreddevitz und östlich von Sellin.
Kap Arkona: slawische Jaromarsburg, 9.-12. Jahrhundert
Dazu kommen dutzende für Fremde namenslose Höheniedlungsverdachtsplätze gleicher Machart mit Großsteingräbern zu ihren Füssen, wie über Moritzdorf, Baabe, Altredewitz oder Mittelhagen, wahrscheinlich auch einige im Nationalpark Jasmund. Genauso weisen große Geländestufen an beliebten Ausflugsbergen von Rügen auf ehemalige (Dornen- oder Palisaden-) Verschanzungen hin: Große Stubbenkammer mit Königsstuhl und -grab, Jagdschloss Granitz oder der Ernst-Moritz-Arndt-Turm. Alle ausgewiesenen Gräber-Sightseeing-Highlights lassen sich solchen wahrscheinlich ehemals befestigten Anhöhen zuordnen: Dobberworth zu Siebenberge mit mehreren Grabhügeln, Gräberfeld Lanecken zum Granitzberg, Hügelgräber um Lohme zu den Bergen um Hagen. Denn Gräber lagen zu allen Zeiten in allen Kulturen direkt neben den Wohnorten. Ich kann aber nur vermuten, dass solche Höhen befestigte Wohnplätze getragen haben, ich bin ja kein Archäologe. Auch zu welcher Zeit die Menschen da oben gesiedelt haben, entzieht sich mir völlig! Das kann wirklich von den ersten Bauern bis zu den Slawen gewesen sein. Denn warum sollten es die Altvorderen auf Rügen anders gemacht haben, als ihre Vettern in ganz Europa: Die hochliegenden Siedlungsverdachtsplätze wurden wieder und wieder überbaut.
Tektonische Tsunamis und Sturmfluten aus Nordwest - 
prähistorische Artefakte konzentrieren sich im Südosten
Ich habe sie jedenfalls alle in die Karte eingetragen, zusätzlich mit solchen Flurnamen, die in Süd- und Mitteldeutschland oft urzeitliche Siedlungen getragen haben. Sicher kennen Einheimische viel mehr.
Trotzdem würde die angenommene kulturelle Abfolge zu meiner Katastrophentheorie passen (Siehe 1. Post in diesem Blog), wenn nicht die unberührten Hügelgräber wären. Denn die sollen ausweislich der Grabbeigaben aus der Bronzezeit mit dem Höhepunkt zwischen 1600 und 1200 v. Chr. stammen. Dann müssten sie aber ebenso zerstört sein, wie ihre Vorgänger, die megalithischen Großsteinsetzungen. Keine Zerstörungen - keine Flut! War da also nichts?
Kenner der Materie wissen aber, es muss mehrere globale Katastrophen gegeben hat. Geologen, Klimaforscher, Genetiker, Historiker und auch einzelne Archäologen plädieren aus ganz unterschiedlichen Ländern und Indizien heraus nicht nur für 1200 sondern auch für 1600, 2200, 3900 und 6200 v. Chr. (Siehe Post „Europa im Rhythmus globaler Naturkatastrophen“)
Zu diesen Zeiten hätten weltweit ähnliche Phänomene stattgefunden, nicht nur in Europa. Deren Auswirkungen könnten sich natürlich auch nach anderen ursächlichen Quellen gerichtet haben. Der Hekla ist ja nicht der einzige Vulkan, der in der Frühzeit Feuer gespuckt haben muss.
"Stubbenkammer" mit Königstuhl und-grab: 
Die Artefaktverteilung und -zerstörungen auf Rügen weisen zwar in Richtung des isländischen Zerstörers, aber alle Sturmfluten von dort hätten ja noch Dänemark überwinden müssen, bevor sie Rügen direkt trafen. Dass es diese Abläufe gegeben haben muss, darauf verweisen ja nicht nur die „zerfransten“ Küsten der Region, sondern auch die zerfallenen Großsteingräber im gesamten norddeutschen Tiefland. Wissenschaftler glauben, dass in der frühen Bronzezeit mit dem Bau solcher Megalithanlagen Schluss war. Das wiederum lässt vermuten, dass die großen Steingräber von der Katstrophenflut gegen 2200 v. Chr. zerstört worden sind. Jedenfalls alle im Flachland, was die Tsunamis auch erreichen konnten. Meteoriteneinschläge und damit Erdbeben, Vulkanausbrüche und Flutwellen wurden damals besonders im baltischen Raum konstatiert. Das könnte die Zeit gewesen sein, wo auch Wellen über Dänemark, Rügen und ganz Norddeutschland hinweggegangen sind. Eine ausschließlich „menschengemachte“ Zerstörung schließe ich aus - warum sollten dann die Hügelgräber aus der Bronzezeit verschont worden sein?
Königstuhl mit versteilten Abhängen als 
befestigte Höhensiedlung?

Diese haben einer ganzen Epoche in Europa ihren Namen gegeben: Der Hügelgräberkultur, wie auch auf Rügen zwischen 1600 und 1200 v. Chr. Sie war aus der mitteleuropäischen Aunjetitzerkultur hervorgegangen, einer Vermischung aus westlicher Glockenbecher- und östlicher Schnurkeramik. Nach der Katastrophentheorie müssen auch bei ihr Aufstieg und Fall auf einen jeweiligen Kollaps zurück geführt werden können. Um 1600 v. Chr. ist nur der Ausbruch des Vulkans Thera auf Santorin bekannt, der entsprechend besonders den Mittelmeerraum in Mitleidenschaft zog. Der folgende Klimawandel und kriegerische Völkerwanderungen aber scheinen auch die Kulturen Mitteleuropas betroffen zu haben. Das Ende der Hügelgräber um 1200 v. Chr. fällt mit den Zerstörungen zusammen, die vom Hekla ausgegangen sein sollen. Dessen zerstörerische Flut kann ja Rügen nicht erreicht haben, weil die Hügelgräber noch stehen. Tatsächlich finden sich die mittelbronzezeitlichen Grabaufwürfe in Deutschland fast ausschließlich nur in höher gelegenen Regionen und nicht im flachen Küstenhinterland. Es ist gut vorstellbar, dass die mutmaßliche Heklawelle sich von der Nordsee aus in die Rhein-, Weser- und Elbtäler ergossen hatte, Rügen aber von der Dänemarkbarriere geschützt wurde.
slawische Hertaburg: noch heute 17 Meter hoher Wall
Wie in den Mittelgebirgen blieben die Hügelgräber erhalten. Trotzdem brach die Kultur ja um 1200 v. Chr. ab. Wanderten die die Menschen aus?
Früher habe ich gedacht, dass pauschal alle gesellschaftlichen Umbrüche direkt auf die zerstörerischen Fluten zurück geführt werden müssen. Heute weiß ich, dass die zwingend folgenden Agrar- und Subsistenzkrisen mit anschließenden kriegerischen Völkerwanderungen, noch größere Schäden anrichten konnten. An eine völlige Abwanderung der Menschen glaube ich persönlich aber nicht. Darauf deuten Grabbeigaben aus Eisen und Nachbestattungen in bronzezeitlichen Hügelgräbern hin. Ein niedriges kulturelles Niveau und das Fehlen von Eliten wären allerdings dann für diese Periode zwingend. Die Urnenfelderkultur jedenfalls soll sich hier im Norden nur langsam breit gemacht haben, wahrscheinlich erst mit den Germanen ab 600 v. Chr. Die Slawen kamen ja dann nach deren Abwanderung 1000 Jahre später.
Vor irgendjemand aber müssen sie sich mächtig gefürchtete haben. Ihre Burgen, nicht nur auf Rügen, gehören ja zu den Aufwendigsten in ganz Osteuropa. Die extrem hohen Wälle mit kleiner Grundfläche sind sie hier vorbildlich erfasst. 17 Meter hohe Aufwürfe noch heute an der Hertaburg erscheinen gewaltig. Dass das Ding sich überhaupt noch hält! Zumindest zeigt sich in ihnen auch eine Kontinuität in der Holzarchitektur noch bis in die fränkische Zeit hinein. Wer aber waren die Gegner der Slawen? Die Germanen tobten sich im Römischen Reich aus. Oder waren welche geblieben, vielleicht sogar noch  aus viel früherer Zeit…?
Hier gibt es also noch viel zu erforschen. Das zeigen auch die Diskussionen über Rügen, ob nicht manche Slawenburg auf urzeitlichen Fundamenten ruht, wie der Wall von Ketelshagen, der Hengst nördlich von Sassnitz oder der Schanzenort Sellin. Die meisten dieser Befestigungen sind sowieso noch gar nicht wissenschaftlich erforscht. Die berühmte slawische Jaromarsburg auf Kap Arkona oder der Rugard neben Bergen, die höchste Stelle Rügens, ergeben jedenfalls regelrechte Zwangssiedlungen über alle Zeiten auf Grund ihrer genialen strategische Lage. Na denn man tau…

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