Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Dienstag, 22. Juli 2014

4. Wird eine neue Bewertung der Megalith-Kultur notwendig?

Ehemalige Dolmen-Grabkammer
Wer ist nicht beeindruckt, wenn er sie das erste mal sieht: Großsteinsetzungen der so genannten Megalith-Kultur, bis zu 350 Tonnen schwer, zwischen 10 und 3.000 Jahren alt. Wie überirdische Fingerzeige stehen sie in der Landschaft umher. Offensichtlich haben Menschen mit Feuerstein-, später Kupfer- oder Bronze-Werkzeugen keinen Aufwand gescheut, um ihr Erbe zu sichern. Man stelle sich vor, wie hunderte Menschen nach Plan mit Seilen, Baumstämmen und durch Erdarbeiten riesige Findlinge bewegten. Aber wozu diese Mühe? Was waren das für Leute? Entgegen der gängigen Lehrmeinung könnte es sich um Ausdrucksformen einer global agierenden einheitlichen Religion handeln.

Keine einheitliche archäologische Bewertung

Über ihre Erbauer scheint es ausreichend Literatur zu geben: Eine untergegangene Bauern-Zivilisation wird da beschrieben, nur scheinbar vereint durch Arrangements großer Steine (altgriechisch "Mega"-"Lithisch"), lokalisiert in Anatolien, am Mittelmeer und seinen Inseln, in Nordafrika, West- und Nordeuropa. Nicht aber in den Karpaten, Rhodopen und auf dem Balkan! Eine Osteuropa ausgegrenzte Gemeinschaft?
Ihre Monumente müssen verschiedene Aufgaben erfüllt haben: Da sind zunächst die Dolmen, aus großen Findlingen zusammengesetzte Grabkammern, die ursprünglich immer, heute noch teilweise, mit riesigen Hügeln aus Geröll, Steinen oder Erde überzogen waren. Von vielen ist nur die Kammer, als so genannter Steintisch übrig geblieben. Merkwürdigerweise nur in der Nähe der Küste! Ebenfalls als Grabmonumente müssen die Cairns gedient haben, aus vielen Bruchsteinen aufgeschichtete Kammern und Hügel. Oft waren beide Arten miteinander kombiniert; die Klassifizierung ist fließend.
Menhir
Nur die Menhire, jene steil aufragenden Steinsäulen werden einheitlich beschrieben, trotz ihrer unterschiedlichen Größe. Die Gelehrten streiten sich nur über Sinn und Zweck. Die einen beschwören ihren spirituellen Charakter, andere sehen in ihnen reine Geländemarken, die ausschließlich der Orientierung früher Reisender dienten. Tatsächlich haben Untersuchungen nicht nur in Europa ergeben, dass mehrere Menhire nebeneinander immer einen sinnfälligen Weg zu einer prähistorischen Siedlung, einer Flussfurt oder einem Gebirgspass ergeben. Andere Arrangements großer Steinblöcke bilden hunderte Meter lange Reihen, Kreise oder sind wie ein Schiff oder ein  Hufeisen geformt. Über deren Sinn kann nur gemutmaßt werden. Höhepunkte bilden regelrechte Megalith-Tempel, wie Göbekli Tebe in der Türkei, mehrere Sakralbauten auf Malta oder Stonehenge in England. Die Größten und meisten finden sich allerdings auf der iberischen Halbinsel. Bei einigen von ihnen konnte sogar eine Überdachung mit Holzbalken nachgewiesen werden. Als Krönung aller Großsteinmonumente  sollten die ägyptischen Pyramiden betrachtet werden. Steckt hinter allem eine einheitliche Kultur in Brauch, Sprache und Religion? 
Einig ist sich die etablierte Wissenschaft nur, dass satte und stramm organisierte Bauern ihren Überschuss ausgelebt haben. Dann aber geht der Streit los. Die meisten Experten sind nicht bereit, den Völkern hinter den Megalithbauten irgend einen gesellschaftlichen Zusammenhang oder gar eine Verwandtschaft zuzugestehen. Die zeitlichen und räumlichen Abstände seien zu groß.

Einheitlicher Ursprung - zwei Ausbreitungsrichtungen

Dabei ist die großräumige Expansion aus einem Zentrum heraus eines der Wesensmerkmale menschlicher Entwicklung (Ausbreitung Homo sapiens, Neolithische Revolution, Ausbreitung der Metallbearbeitung etc.).
Grabkammer aus Holz
Die Tradition, exponierte Leichen in großen Grabhügeln (Tumuli, Kurgane) mit Beigaben zu beerdigen, tauchte etwa 1000 Jahre nach Einführung der Landwirtschaft auf. Vom Fruchtbaren Halbmond aus muss sie sich dann in die ganze Welt verbreitet haben. Zumindest nach Mitteluropa scheint sie dann - wie auch die neolithische Revolution selbst - auf zwei unterschiedlichen Wegen und in zwei verschiedenen Gestaltungsformen gekommen zu sein: Einmal dem Zug der ersten Bauern folgend über Osteuropa die Donau hoch und das andere mal südlich von Balkan und Alpen über die iberische Halbinsel und Frankreich. An Mittelmeer und Atlantik wurden die Kammern der Grabhügel durchweg aus großen Steinen zusammen gesetzt, in Osteuropa hingegen ausschließlich aus Holz.
Die verschiedenen Hügelgräberkulturen nach vanaland.wordpress.com 
Dieses Phänomen kann durch die Theorie von den Megalith- und den Wald-Neolithen erklärt werden, die besonders überzeugend unter vanaland/wordpress.com dargelegt wird.
Demnach waren am Balkan die gleichen Typen unterwegs wie am Atlantik – sie hatten wahrscheinlich nur mehr Holz, um ihre Verstorbenen ohne großen Aufwand betten zu können. Ihre Grabkammern aus dem leicht zu bearbeitenden Naturmaterial, waren zwar schneller aufzurichten, in der Erhaltung aber den Steinsetzern im Süden und Westen unterlegen. Trotzdem blieben auch von den "Woodpickern" Unmengen von Grabhügeln aus jener Zeit erhalten. Als Träger werden ihnen von Archäologen z.B. die Varna-, Vinca- und Cucuteni-Kultur zugeordnet. Das Unterscheidungsprinzip betraf auch andere "Erdwerke". So bauten die Linienbandkeramiker von Anfang an jene runden Wall-Graben-Anlagen, die von Palisaden umgeben waren. In Mitteleuropa sind letztendlich beide Bauformen angekommen, über deren Wege und Zeiten noch zu sprechen sein wird. Bestes Beispiel ist die Kreisgrabenanlage von Goseck, die noch älter sein soll, als ihr steinernes Pendant, das berühmte Stonehenge in Südengland. Verrückt nur: Letzteres hatte einen hölzernen Vorgängerbau! Ich glaube deshalb, dass sich die Megalithkultur erst dann den Steinkreisen zugewandt hatte, nach dem sie auf die Linienbandkeramiker getroffen war. Die soll es auf den britischen Inseln zwar nie gegeben haben, aber runde Palisadenanlagen können nur von ihnen stammen. Und ich bin überzeugt, dass sich mit den Stein- und den Holz-Zivilisationen eine Parallelwelt entwickelt hatte, mit unterschiedlicher Ausführung, aber gleichem geistigem Anspruch.
Wer solch einen Stress mit seinen Verstorbenen betreibt, begleitet das sicher mit aufwendigen Zeremonien. Alle geistig-religiösen und soziologischen Deutungsversuche aber müssen mit Vorsicht genossen werden, weil sie aus späteren antiken oder mittelalterlichen Kulten abgeleitet werden.

Der megalithische Weg -  1000 Jahre nach den Ersten Bauern 

Auch wenn über Details noch gestritten wird, die gefundenen Megalith-Anlagen lassen sich grob folgenden Zeitabschnitten zuordnen (alles v. Chr.):
Schwerpunkte der Megalithkultur
  • Kleinasien (10.000 – 7.000)
  • Palästina (7.000 – 6.400)
  • Griechenland (7000 - 3000)
  • Italien (6000 - 3000)
  • Tunesien, Algerien (5.000-4000)
  • Iberische Halbinsel (4.800 – 2.000)
  • Bretage (4000 – 2.000)
  • Irland und England (3.500–1.500)
  • Deutschland, Niederlande, Polen, Skandinavien (3.000–2000)
  • Malta (3800–2.500)
  • Korsika (3.000–1.000)
  • Sardinien (3.000–600 nach Chr.)
Die jeweils ersten Zahlen deuten - bei aller Relation des untersuchten anhaftenden organischen Materials - auf eine sinnfällige Wanderung der Megalithkultur hin.
Auch zwischen Malta und Tunesien soll es eine 
Landbrücke gegeben haben
Nur die Mittelmeerinseln fallen aus dieser Abfolge heraus, was aber mit ihrer Isolation um 6000 v. Chr. erklärt werden kann. Durch den Anstieg des Meeresspiegels damals waren auch deren Landbrücken verschwunden und jede Entwicklung brauchte länger. Damit fällt sofort ins Auge, dass die Megalithkultur, auf den gleichen Pfaden gewandert sein muss, die die ersten bäuerlichen Kulturen im Westen eingerichtet hatten. Genetisch brauchte es also keine neue Wanderung von Völkern, sondern nur eine Idee und genügend Zeit, um solch einer aufwendigen "Freizeitbeschäftigung" nachzugehen. So scheint es nur logisch, dass hier "altansässige" Bauern zugange waren, die aber erst nach Generationen den notwendigen Überschuss für solchen Mühen erwirtschaftet hatten. Die megalithische Welle hinkte so zwingend der neolithischen um etwa 1.000 Jahre hinterher. Auch das ist eine der Kernthesen hier, jedenfalls habe ich diese Aussage noch nirgends so gefunden.
Das erste Glanzlicht megalithischer Bauweise wurde in Göbekli Tebeie ausgegraben und soll aus dem 10. Jahrtausend v. Chr. stammen. Das korreliert mit unserer eben getroffenen Aussage, denn die beeindruckenden Tempel stehen dort am  Rand des Furchtbaren Halbmondes und da sollen im 11. Jahrtausend v. Chr. ja Feldanbau und Domestizierung begonnen haben.
Die Sur der Steine oder wenigstens die Idee davon (als Brauch)
In dieser Abfolge scheint es nun weiter gegangen zu sein. Die nächsten Steinsetzungen  tauchen in der Levante auf (Siehe Post "Phönizien und Westeuropa"). Die meisten davon stehen auf den Golanhöhen, sie ziehen sich aber über Israel bis nach Palästina, wie die Menhire um die Quelle von Atlit Yam zeigen. So könnte man meinen, dass die megalithische Kultur von der Levante über Ägypten und Nordafrika nach Spanien gewandert sein muss. Angesichts des Wohlstandes am Nil und der Pyramiden macht das ja auch Sinn.
Fest steht aber, dass die Landwirtschaft in Ägypten erst um 5000 v. Chr. über die Arabische Halbinsel Einzug gehalten hat, die ersten Pyramiden nicht früher als 3500 v. Chr. gebaut wurden und man in Libyen bisher gar keine megalithischen Bauwerke fand. Suchen wir also nördlich des Mittelmeeres! Tatsächlich scheinen wir hier auf den richtigen Weg zu kommen. Folgt man der Spur von Genen, Getreidekörnern und Großsteinsetzungen - erschließt sich eine Trasse fast schnurstracks durchs Mittelmeer. Sie ist zwar nur punktuell in obenstehender Karte erkennbar, in dieser sind aber nur die megalithischen Hotspots in ihrer ursprünglichen und reinen Ausfertigung berücksichtigt.

Tempelbau in Göbekli Tebe um 10.000 v, Chr.
Gerade in Anatolien, Griechenland und Italien aber verweisen Ausgräber immer wieder auf verdächtige Steinsetzungen, die nur aus neolithischer Zeit stammen können, wie in Troja, Mykene, Athen oder Cerveteri, Das meiste scheint von den Hochkulturen der späteren Antike überbaut worden zu sein. Trotzdem kann man die Megalith-Trasse aus Kleinasien heraus weiterführen, nach Sizilien, Malta, Tunesien, Algerien, Marokko und schließlich Andalusien. Das entspricht genau der Wanderung der ersten Bauern im 8., 7. und 6. Jahrtausend v. Chr., damals noch bei niedrigerem Meeresspiegel über trockenes Land (Siehe Post 3. "Woher die Westeuropäer kamen").
Tempel auf Malta um 3200 v. Chr.
Nun musste aber während der Wanderung der Megalithkultur der Wasserstand bereits heutige Verhältnisse angenommen haben. Das könnte zwar die Entwicklung der Hochseeschifffahrt eingeleitet haben, aber mit Völkerwanderungen und Ausbreitung von Sprachen war es nun vorbei. Mit den damaligen Schiffen waren keine Massen zu versetzen. Ich denke, es brauchte sich ja nur die Idee von den Großsteinmonumenten zu verbreiten, das Baumaterial gab es ja überall. Motivation gab es genug: Was für ein mächtiger Führer musste man doch sein, solche Wummis bewegen lassen zu können, was für ein ausgewähltes Volk, dass derart seine Ahnen würdigte.
Motillas in Spanien um 2200 v. Chr.
Die Hypothese, wonach mehr die Baupläne als die Steinsetzer wanderten, würde jedenfalls nicht nur obige Karte erklären, sondern auch Dauer und Bewegungsrichtung der megalithischen Kultur. Auch im Norden Italiens fanden sich bisher gar keine Megalith-Anlagen, der weitere Weg über Sizilien und Malta scheint also vorgezeichnet. Die Landbrücke dort nach Afrika dürfte um 5000 v. Chr. schon Geschichte gewesen sein. Es kann also wieder nur einen Transfer der "Blaupausen" gegeben haben - per Schiff.

Megalithische Bauformen durch regionale Einflüsse geprägt?

Trotzdem, oder gerade deshalb, konnte sich auf der isolierten Insel Malta später die Tempeltradition zu voller Blüte entwickeln. Die Ähnlichkeit der Sakralbauten dort mit denen in der Türkei und später in Spanien und Portugal ist schon frappierend. Die von allen bewunderten "T-Stelen" in Göbekli Tebe sehen wie schlichte Dachträger aus. Die maltesischen Tempel könnten dann schon längeres Gebälk verwendet haben. Noch bei den komplexen spätmegalithischen Motillas scheint die "Rundhütte" von einst Pate gestanden zu haben. Ihre Entstehungszeiten bestätigen die hier formulierten Thesen.
Die Vorgängerkulturen der Steinsetzer in Nordafrika
In Nordafrika dann, entlang des Atlasgebirges glänzt die Megalithkultur mit Anlagen wie Djebel Gorra, Rocknia, M'zora, Simitthu oder Ellès. Letztere ähneln den Tempeln auf Malta und bestätigen so wieder die Bewegungsrichtung.In Südspanien dann wartete bereits die hochentwickelte La Almagra-Kultur auf einen Brauch, mit dem man richtig nach dem Tod repräsentieren konnte. Sie führte die Kultur der Monstersteine ab dem 5. Jht. v. Chr. zu ihrem absoluten Höhepunkt. Hier herrschte im Gegensatz zum saharabeeinflussten Maghreb tropisch-feuchtes Klima und die alten Landwirte konnten Wohlstand ohne Ende anhäufen. So finden sich in Andalusien und Portugal nicht nur die größten und ältesten Steinsetzungen Europas, sondern auch die meisten. Deutsche Literatur dazu gibt es kaum.
Megalithischer Höhepunkt: Die Dolmen von Antequera
Wer aber Cueva de Menga, ein Galeriegrab bei Antequera besucht hat, die Dolmen de Viera oder El Romeral, verliert jeden Zweifel. Diese gewaltigen Großsteingräber bezeugen eine erste Hochkultur in Westeuropa und zeigen uns Hänflinge aus der nachindustriellen Informationskultur, wer wir sind. Solche Wummis fehlen übrigens an der spanischen Ostküste völlig. Sie ziehen sich aber an der atlantischen Küste (mit Schiffen?) um die gesamte iberische Halbinsel herum, bis in die Biscaya. Einige Genetiker und Ethnologen bringe die Basken dort mit den Megalithikern in Verbindung. In Aquitanien war erst einmal Schluss - dort scheint ja bis vor ein paar Jahrhunderten noch alles unter Wasser gestanden zu haben.Trotzdem muss sich die Megalithkultur ja weiter bis nach Nordeuropa ausgebreitet haben, und wieder bleibt nur die Alternative Boot. In der Bretagne scheint der megalithische Brauch, Steinstelen als Richtungsanzeiger zu nutzen, ausgeufert zu sein. Hinter der enormen Größe der Menhire vermute ich die für Seereisende seit den Pyrenäen fehlenden eindeutigen Landmarken zum navigieren. Das haben mir Freizeitskipper erklärt. Die religiöse Verbrämung der großen Menhire könnte erst später eingesetzt haben. Ich glaube nun mal an die praktischen Wurzeln solcher "Kult- und Kraftorte".
Tumulus St. Michel in Frankreich
Die Ausbreitung der Großsteinsetzer nach Irland und England kann wieder nur durch eine Schiffsverbindung erklärt werden, denn die Britischen Inseln gelten ja wie Malta ab 6200 v. Chr. vom Festland abgeschnitten. Dort müssen sie auf die astronomisch ausgerichteten Kreisgraben-Palisaden-Erdwerke der Linienbandkeramiker aus dem Osten gestoßen sein. Den Ausgang dieses Treffens zeigt die unmittelbare Überbauung des vormals hölzernen Stonehenges durch ein überdimensioniert steinernes. Nicht lange danach scheinen die wie geschliffen wirkenden Groß-Findlinge zu Neige gegangen zu sein. Vielleicht scheute man auch den Aufwand. Mehr und mehr wurden im westlichen Einflussbereich der Megalithik kleinere und gröbere Bruchsteine zu Trockenmauern verarbeitet. Gleichzeitig stieg die Formenvielfalt, aus einfachen Steinreihen wurden ganze Straßenzüge, wie in Carnac. Dekadenz als typischer Ausdruck überschäumender Entwicklung? Die weitere Spur der Steine Richtung Skandinavien und Norddeutsche Tiefebene bestätigt ebenfalls den Ablauf: Alles wurde kleiner und bescheidener.
Maes Howe in  England
Es muss aber einen zweiten Expansionsstrang von den Pyrenäen nach Südfrankreich, in die Schweiz, an den Oberrhein und weiter gegeben haben. Das bestätigen die entsprechenden Anlagen zumindest bis an den Rhein.
Dahinter stoßen wir auf ein typisches Paradoxon der offiziellen Archäologie. Nach der herrschenden Lehrmeinung gibt es keine Megalithanlagen in Süddeutschland. Schauen sie sich einfach mal um: Ganze Kulturen wie die Hinkelstein-Gruppe, tausende bekannte Steinkammergräber, Totenhäuser, Mauerkammern, hunderte Einzelensembles von Dolmen und Menhiren wie bei Degernau, dutzende weltbekannte Glanzlichter wie die Erlanger Zeichensteine, der Ebracher Götze oder der Heidenstein von Niederschwörstadt. Dabei habe ich die vielen Neuentdeckungen der "Cairn-Forschungsgesellschaft" noch gar nicht hinzu gezählt. Wahrscheinlich warten in Süddeutschland noch unzählige Steinhaufen darauf, archäologisch untersucht zu werden.

Naturkatastrophen als Wanderungsmotiv?
Vermischung der Megalith-Menschen in Mitteleuropa 
mit den Ost-Kulturen


Der Weg aber der Megalith-Ideologie nach Süddeutschland ist vollkommen offen. Er könnte von den Brüdern in Norddeutschland eingeschleppt worden sein, als auch von den Stammvätern in Iberien. Eine Trasse über Balkan oder Alpen kann ausgeschlossen werden, wegen dem Fehlen der Megalithik an der Donau und in Norditalien. Die ersten Großsteingräber in der Schweiz erscheinen gegen 4300 v. Chr., also zum Beginn der Expansion in Südspanien. Da hat an der Nordsee noch niemand Hinkelsteine bewegt. Für mich bleibt hier nur ein Strang die Rhone hoch oder nebenan über die Europäische Hauptwasserscheide.
Diese Bewegung der Megalithkultur könnte diesmal von ihren Trägern selbst vorgenommen worden sein. Es wir nämlich deutlich, dass sie zeitlich mit dem tektonischen Kollaps um 3900 v. Chr. zusammen fällt. Das betrifft nicht nur die Wanderung von Iberien in die nördlichen Alpenausläufer, sondern auch die von der Bretagne nach Skandinavien und Norddeutschland. Es gibt dazu keine Untersuchungen und ich führe die Überlegung auch nur der Vollständigkeit halber hier ein. Meiner Meinung nach werden aber die meisten Völkerwanderungen durch große Naturkatstrophen initiiert: Erdbeben, Tsunamis,Vulkanausbrüche, jahrelanger atmosphärische Winter, Agrarkrisen, kriegerische Absetzbewegungen... (Siehe Post: Die Geschichte Europas im Rhythmus globaler Naturkatastrophen). Zumindest für 1600 v. Chr. beim Ausbruch des Thera auf Santorin und 1200 v. Chr. beim dem des Hekla auf Island scheinen die extremen Auswirkungen Völkerwanderungen ausgelost zu haben. Solche Vorgänge sollten also für die Megalithzeit nicht ausgeschlossen werden. Eine spätere Überflutung der küstennahen Großsteingräber und das Abspülen der Erdhügel von den nackten Stein-Tischen scheint ebenfalls eine Überlegung wert zu sein (Siehe Post Dolmen und andere Großsteingräber als Indikatoren verheerender Flutwellen).

Stonehenge in England
Ein einheitliches Reich?

Niemand kann sich vorstellen, dass hinter dem uniformen Brauch, Steine aufeinander zu schichten, ein kontinental einheitlicher, vielleicht sogar zentral gesteuerter Wille gestanden hat. Auch nicht dieser Post! Vergleicht man aber die Muster, nach denen sich neue Technologien, Religionen oder kriegerische Völker verbreiten, ergeben sich erstaunliche Parallelen. Es sind nicht nur die vielen Arbeiter die irgend ein Sippenhäuptling auf die Beine bringen musste, es bedurfte auch Spezialisten, die von wer weiß woher kamen. Zerbrochene Menhire in der Bretagne zeigen, dass das alles nicht so einfach war. Die Zeiten jedenfalls, als die Expansion der Landwirtschaft noch durch einen überlegenen Lebenstil ermöglicht wurde, schienen vorbei. Damals starben überall dort, wo die Neolithen aufschlugen, danach die Populationen der Jäger und Sammler aus, auch die, die schon sesshaft waren (Tardenoisian).
genetische Lokalisierung der Megalithleute ab 3000 v. Chr.
Mancherorts finden sich auch Wehranlagen und Massengräber. Entsprechend dem Potential der erschlossenen Regionen unterschieden sich bald nicht nur die Töpfe voneinander. Auch eine gemutmaßte anfänglich gemeinsame Sprache musste sich äquivalent mit Entfernung und Zeit vom Ursprung differenzieren. 1000 Jahre später, bei der Expansion der Megalithkultur, scheinen sich dann die etablierten Landwirte gegenseitig bekriegt zu haben. Archäologen berichten, dass die großen Siedlungen des 4. Jahrtausends v. Chr. im Westen mit Grabenringen und Palisaden umschlossen waren. Eine vollkommen neue genetische Einwanderung aber blieb bis 3000 v. Chr. aus.
Den einzigen, den wir aus dieser Zeit "persönlich" kennen, ist Ötzi. Die Gletschermumie aus den Alpen zeigt uns das aggressive Wesen jener Zeit. In seinem Bozener Museum führt er uns nicht nur die Genialität der Altvorderen damals vor Augen, sondern auch zu welchen Wanderungen sie fähig waren (Siehe "Ötzis Berg-Lager", "Der europäische Wasserscheidenweg..." und "Phönizien als Ursprung der Westeuropäischen Kultur?").
Aber so wie die Menschen hinter einem bestimmten Keramikstil sicherlich die gleiche Sprache benutzten, könnte man in dem verbindenden Element der Steinsetzungen eine gemeinsame geistige oder religiöse Strömung vermuten. Als wichtige Träger der Megalithkultur in Westeuropa werden folgende Kulturen genannt (alles v. Chr.):
Die Welt vor 3000 v. Chr.

  • Südspanien/ Portugal: Megalithkultur 4800-2900, Glockenbecher 2900-2000
  • Südfrankreich: Chasseen 4500-3500
  • Nordfrankreich: Seien-Oise-Marne 3100-2400
  • Bretagne/ Britische Inseln: Groved Ware 3400-2000, Wessex 2000-1400 
Sie alle formten ihre Töpfe zwar irgendwie anders, das gemeinsame Merkmal aber war die Bewegung großer Steine. Manchmal dominierten die Gräber, mal die Menhire, mal die Tempel. Doch die Steine waren das verbindende Element. Darin unterschieden sie sich auch eklatant von den Holz-Kulturen, die aus dem Osten nach Zentraleuropa einströmten. Dort müssen sich die ehemaligen Vettern aus dem Fruchtbaren Halbmond getroffen haben. Dementsprechend finden sich in Mitteldeutschland sowohl die großen Brocken der Megalithkultur, als auch die Hügel der "Waldleute" von der Donau.
Die "Zwölf Apostel" im Thüringer Wald
Auch Mischformen muss es gegeben haben. Die massenhaft auftretenden kleinen Steinhaufengräber in Südthüringen hatten zwar flache Seiten- aber keine Abdecksteine. Wahrscheinlich war der "Sargdeckel" aus Holz längst vergangen. Sie zeigen, dass auch das "gemeine Volk" nach den gleichen Prinzipien wie die Elite begraben wurde - wenn auch bescheidener. Denn nur 3 Prozent der damaligen Bevölkerung soll in Großsteingräbern bestattet worden sein. Solchen Dolmen gibt es auch in Thüringen und Franken. Sie sind allerdings alle auseinander gerissen und aus den Feldern gezogen worden. Es sind immer mindestens 4 Seitensteine und eine große Deckplatte. Selten sind sie irgendwo verzeichnet. Besonders viele finden sich um die Hohe Geba herum. Selbst die wegweisenden Menhire über den Thüringer Wald dürfen nicht fehlen (Siehe Post "Relikte der Atlanter selber finden").
Glockenbecher-Leute in Los Millares:
Mauern mit Zinnen bereits um 3000 v. Chr.
Gegen 3000 v. Chr. dann muss sich auf der Pyrenäen-Halbinsel zeitgleich mit der Einführung des Kupfers die so genannte Glockenbecherkultur herausgebildet haben. Manche sagen, sie sei wieder aus dem Maghreb eingeströmt, andere aus Ungarn. Bei diesem Streit findet man ähnliche Zustände wie bei der Megalith-Analyse für Süddeutschland. Die Becherleute hoben jedenfalls die Megalith-Zivilisation auf einen neue Stufe und überrannte um 2500 v. Chr. ganz Westeuropa. Sie benutzten die Megalithgräber ihrer Vorfahren gerne für Nachbestattungen, bauten aber auch selber noch Cairns. Ihre Städte in Portugal und Spanien werden in einem Zug mit dem zeitgleichen Troja genannt und als erstes Staatengebilde unseres Kontinents gehandelt. Jetzt und hier können eine einheitliche Sprache und ein zentral gelenktes Gemeinwesen vorausgesetzt werden (Siehe Post "Die Glockenbecherkultur - ein erstes Großreich?"). Manche Linguisten vermuten im Baskischen das letzte Refugium der alteuropäischen Sprechweise. Die Grundlagen dieser ersten westlichen Hochkultur aber scheinen in Infrastruktur und Geisteshaltung die Megalithiker geschaffen zu haben.

Aufstellen eines Menhirs
Fazit:
Allem Anschein nach war die Megalithkultur keine einheitliche Zivilisation, aber die materielle Ausdrucksform einer sich verbreitenden religiösen Strömung. Dazu gehört ein Ursprung und mehrere Expansionslinien. Dieser Brauch scheint sich "Steine versetzend" vom Vorderen Orient über die Mittelmeeranrainer bis Iberien und von dort über ganz Westeuropa ausgebreitet zu haben. Er muss so dem "West-Weg" der ersten Bauern gefolgt sein, nur mit etwa 1000 Jahre Verzug. Neben der Voraussetzung, erst Überschüsse erwirtschaften zu müssen, könnten auch Naturkatastrophen "wanderungsmotivierend" gewirkt haben. Von den ersten Bauern bis zu den ersten Christen in Mitteleuropa entwickelte sich die megalithische Tradition regional entsprechend den geologischen und klimatischen Ressourcen, den wirtschaftlichen Zwängen und sicher auch den rituellen Strömungen. So ähneln noch die kleinsten Steinkistengräber in Südthüringen, vom Aufbau her, denen in Spanien: Seitensteine, Abdeckung aus Steinen oder Holz, dazu eine Überschüttung. Natürlich im Osten viel bescheidener. Über Ethnien, Sprache und Hierarchien der Megalithvölker können nur bedingt Aussagen getroffen werden. Die Entwicklung scheint aber kontinuierlich aus den ersten bäuerlichen Kulturen heraus verlaufen zu sein, mit regionaler Differenzierung, Überlappungen, vielleicht auch diversen Händeln. Archäologen haben auch einzelne Anzeichen für gewalttätige Konflikte gefunden. Die sich ähnelnden Großsteinsetzungen deutet aber auf einheitliche geistig-religiöse Denkmuster hin. Verstanden haben werden sie sich auf jeden Fall. (Siehe Post "Die irischen Jahrbücher über alte Wanderbewegungen").
Ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. werden im Westen als Träger der Megalithkultur dann die Glockenbecherleute fassbar. Sie scheinen auf den gleichen Wegen marschiert zu sein, wie ihre Vorgänger. Mehr noch: Sie könnten von der Pyrenäenhalbinsel aus eine zentral gesteuerte und flächendeckende Invasion gegen ganz Westeuropa vorgetragen haben. Doch das ist eine neue Wanderung und damit schon der nächste Post...