Denn es braucht weder Aliens, Chronologiekritiker noch Verschwörungstheorien. Themen wie Basken, Seevölker, Dorische Wanderung, Atlantis oder indogermanische Invasionen sind längst zu deuten. Man muss nur die neuesten Veröffentlichungen von Archäologen, Genetikern, Geologen, Linguisten und Geografen zusammenbringen. Und die lassen sich durch die sog. Katastrophentheorie zusammenfassen, welche Auf- und Untergang aller urzeitlichen Kulturen nach den immer gleichen Abläufen erklärt: tektonische Verwerfungen (auch wegen kosmischer Impacte), Tsunamis und kurzfristige Besiedlung der Höhen, atmosphärische Winter und langfristige Agrar- und Subsistenzkrisen, kriegerische Völkerwanderungen und letztlich technologischer Fortschritt. Dazu stelle ich im Einstieg "Worum es hier geht“ 7 Hypothesen auf, die gerne diskutiert werden können. Die daraus resultierende Chronologie finden Sie in den Artikeln von 1. bis 7. durchnummeriert. Eine Übersicht der damaligen Kulturen ganz unten rechts…

Mittwoch, 4. Februar 2015

Die Katastrophenzeit um 1.200 v. Chr. in der Forschung

In Notzeiten machten sich die Menschen auf die Suche
nach neuem Land
Bevor ich zu den Ergebnissen einzelner Forscher komme, gestatten Sie mir ein paar Emotionen: Die sich selbst als "Fachwelt" bezeichnenden Wissenschaftler lehnen die meisten hier postulierten Thesen ab. Für sie zählt nur das "Ergrabene" oder "Geschriebene". Logische Konsequenzen daraus, eindeutige Indizien oder einfach nur schlussfolgernd menschliches Verhalten der geschichtlichen Akteure kennen die "Schulmeister" nicht. Besonders prekär: Kaum einer denkt über den Tellerrand der klassifizierten Kulturen und Regionen hinaus. Globales Denken, Interdisziplinäre Forschung scheint es nur in der Öffentlichkeitsarbeit zu geben. Völkerwanderungen werden anscheinend nur dem Frühmittelalter zugestanden, Klimakatastrophen nur dem Heute, antike Autoren als partielle Spinner und Scharlatane abgetan.
Historischer Temperaturverlauf ab 0 (Heute) rückwärts
Doch immer auch haben Visionäre versucht, Zusammenhänge in der prähistorischen Forschung Europas und des Nahen Ostens herzustellen. Bislang gelten nur die belegten Einzelereignisse um das 12. Jhd. v. Chr. als opportun: Überall jede Menge Naturkatastrophen, Revolution in der Begräbniskultur, plötzlich befestigte Höhenburgen, Kollaps aller Hochkulturen im östlichen Mittelmeerraum, Dorische und Ionische Wanderungen Richtung Osten, Seevölkersturm usw. Die etablierte Wissenschaft wehrt sich aber mit Händen und Füßen dagegen, dabei einen klimatischen und gesellschaftlichen Zusammenhang herzustellen. Für Geschichtsinteressierte bleibt nur der Ausweg, solche Blogs hier zu schreiben. Dabei stütze ich mich ausschließlich auf Aussagen von kompetenten Archäologen und Klimaforschern. Zugegebenermaßen sind das wenige und außerdem Leute, die gegen den Mainstream setzen (Siehe Referenzen ganz unten!):

Die roten Pfeile zeigen die spätere Ausbreitung
der Urnenfelderkultur 

- F. Falkenstein postuliert für das 12. Jahrhundert v. Chr. eine Katastrophentheorie für ganz Europa und den Nahen Osten. Eine Eruption des isländischen Vulkans Hekla hätte mit einer Subsistenzkrise die Urnenfelderkultur hervorgebracht, die dann über den östlichen Mittelmeerraum hergefallen sein müsse.
- R. Drews findet in “The End of the Bronze Age, Changes in Warfare and the Catastrophe ca. 1200 B.C.“ sowohl in der Verbreitungsdynamik der Kultur als auch bei den Deponierungssitten glaubhafte Indizien dafür, dass der Beginn der älteren Urnenfelderkultur und der zeitgleiche Zusammenbruch der spätbronzezeitlichen Zivilisationen im östlichen Mittelmeerraum verschiedene Phänomene eines sich quer durch Europa erstreckenden Krisenhorizontes darstellen.
Der historische Erdbebenkatalog
des Deutschen Geoforschungszentrums
- C. Burgess weißt in „Population, Climate and Upland Settlement“ nach, das nach einer Periode kontinuierlichen Bevölkerungswachstums mit einem Populationsoptimum im 13. Jahrhundert v. Chr. ein Kollaps folgte, bei dem die Bevölkerung in ca. 200 Jahren um die Hälfte zurückging. Das britische Hochland sei in dieser Zeit gänzlich entvölkert worden. Ähnliche Einschätzungen liegen auch aus anderen Teilen Europas vor. So beschreibt L. Barfield in “The Bronze Age of Northern Italy: Recent Work and Social Interpretation", eine totale Entvölkerung der Poebene sowie des Siedlungsraumes um den Gardasee. Der Rückgang war so plötzlich und vollständig, dass er eine Naturkatastrophe als Ursache vermutet.
Teilwanderungen in der Ägäis um 1200 v. Chr.
- W. Kimmig leitet in „Seevölkerbewegung und Urnenfelderkultur“ die Hypothese ab, dass die Entstehung der Urnenfelderkultur in Mitteleuropa sowie der Beginn der "Seevölkerbewegung" im
östlichen Mittelmeerraum im direkten Zusammenhang stehen könnte, ausgelöst durch eine katastrophalen Subsistenzkrise.
Die Rückwanderung nach der Katastrophenzeit
- B. Hänsel sieht in „Lausitzer Invasion in Nordgriechenland? Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte“ als Ursache für den vielfältigen Kontinuitätsbruch in Kastanas und das Auftreten der kannelierten Keramik in Makedonien eine Einwanderung fremder Bevölkerungsgruppen aus dem Norden. In „Kastanas, Ausgrabungen in einem Siedlungshügel der Bronze- und Eisenzeit Makedoniens 1975-1979 spricht Hänsel nach dem Niedergang der spätbronzezeitlichen Kastanas IV von krisenhafte Veränderungen in ganz Europa. Ähnlich äußert sich J. Bouzek in „Der Vardar- und Morava-Bereich in seinem Verhältnis zu Griechenland zwischen 1200 und 900 v.u.Z., in: Griechenland, die Ägäis und die Levante während der "Dark Ages" vom 12. bis zum 9. Jh. v .Chr.
- B. Tedan beschreibt in „Stand und Aufgaben der Forschungen zur Urnenfelderzeit in Jugoslawien, Beiträge zur Urnenfelderzeit nördlich und südlich der Alpen“ Katastrophenszenarien in Mittel- und Südeuropa mit gleicher Ausgangslage.
- K. Kilian postuliert „Zum Ende der mykenischen Epoche in der Argolis“ eine unbestimmte Katastrophe an der Wende von "SH IIIB zu SH IIIC39" und eine dynamische Südausdehnung der mitteleuropäischen Urnenfelderkultur bis nach Katalonien und Makedonien.
- K.-D. Jäger macht auf neue Keramik in der Urnenfelderzeit, besonders aber auf die Massenausbreitung der Ackerbohne (Vicia faba) in der Urnenfelderzeit aufmerksam und interpretiert dieses Phänomen als Reaktion auf eine umweltabhängige Versorgungskrise in ganz Europa. Ursachen sieht er in temporären Klimaveränderungen.
Und in diesem Stil könnte es weitergehen!
Tsunamis sind nicht nur Phänomene unserer Zeit
Alle diese Forscher bestätigen die Katastrophentheorie Jürgen Hepkes über das 13. Jhd. v. Chr. (siehe Post Nr. 10). Nur mit dem Auslöser tun sie sich schwer: Die wichtigsten Experten liebäugeln mit der Eruption des Hekla auf Island in dieser Zeit. Aber schon Falkenstein bemerkt die Ungereimtheiten hinsichtlich der zeitlichen Abfolge und der westlichen Abgrenzung der Urnenfelderkultur. Die wird eben nur durch die Einbeziehung eines fiktiven Atlantiktsunamis erklärbar, der Spanien, Frankreich, Italien und England in großen Teilen überspült haben muss. Dort, wo man danach gesucht hat, finden sich sogar Hinweise: So berichtet die Uni Marburg auf Scinexx von so genannten Überspülfächern und speziellen Sedimentablagerungen nahe Levkas in Griechenland, die eindeutig auf große Tsunamis in jenen Jahren hinweisen. Auch die dicke Schlammschicht, die damals Tyrins nachhaltig bedeckte, assoziiert eine verheerende Überschwemmung. Neueste Erkenntnisse sehen die gleiche Entwicklung auf Sardinien.
Pharao vs. Seevölker, die aus dem Norden kamen
Die Auswirkungen solcher Szenarien finden wir dann z. B. in dem Seevölkersturm, wie er am Totentempel Pharao Ramses III. in Medinet Habu westlich von Theben auf tausenden Quadratmetern dargestellt wird. Auch Forscher Hepke, der das historische Mosaik wieder zusammenführte, hat einen antiken Fürsprecher: Platon beschreibt in seiner Atlantis-Story die Katastrophe um 1200 v. Chr. dezidiert. Wie aber könnte man das den Herren über das geschriebene historische Wort klarmachen, wenn nicht einmal anerkannte Wissenschaftler die tonangebende Professorengilde überzeugen können? Wozu dann dieser Blog? Es ist einzig und allein die Gewissheit, dass Vernunft, Erkenntnis und Fortschritt nicht aufzuhalten sind. Irgendwann werden die Indizien erdrückend sein. Und dann soll niemand sagen können, es habe keiner vermutet.