High-Tech der Aunjetitzer: Die Himmelscheibe von Nebra
als Taschenobservatorium
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Das jedenfalls behauptet die GEO Ausgabe 10/2018 in ihrem Artikel „Das Reich der Himmelsscheibe“. Dort wird das neue Buch des Archäologen Harald Meller und des Journalisten Kai Michel über die prähistorische Kultur der sog. Aunjetitzer beworben, die von etwa 2200 bis 1600 v. Chr. Mitteleuropa bewohnt haben. Die bronzezeitliche Truppe hat vor 20 Jahren noch niemand gekannt, scheint aber den Anstoß für eine Neubewertung frühzeitlicher Bewegungen auf unserem Kontinent zu liefern. Nicht aber für diesen Blog!
Trotzdem präsentiert sich dem Leser eine brillante Analyse, die aber leider die Grenzen deutscher Archäologie nicht zu überschreiten vermag: Wieder wird der Einfluss Westeuropas auf das Zentrum des Kontinents fast vollkommen ignoriert. Trotzdem erscheint das Buch als Meilenstein bei der Bewertung dieser komplexen Materie. Besonders die detektivischen Herleitungen haben es in sich:
Schicke Bronzeschmiede |
- Neu: Die Aunjetitzer Kultur erscheint als Hochzivilisation aus der Vermischung von westlichen Glockenbecherleuten und östlichen Schnurkeramikern.
- Mitteleuropa wird als innovativer Schmelztiegel der einströmenden Völkermassen erkannt, deren logische Entwicklung nach menschlich sinnfälligen Mustern beschrieben wird.
- Die Autoren vermuten sogar eine zentral gesteuerte Reichsbildung.
- Die Schnurkeramische Kultur soll aus dem Osten die Indogermanische Sprache mitgebracht haben.
- Die Glockenbecherleute waren aber wahrscheinlich als „Herren des Metalls“ das bestimmende Element dieser Vermischung.
- Große Kampftruppen bildeten das Faustpfand königlicher Macht (Schlussfolgerungen aus einem großen Beildepot, dass nicht, wie üblich, als religiöse Niederlegung verklärt wird)
- Kultureller Fortschritt ist nur in friedlichen Zeiten möglich - der für heute wohl wichtigste Schluss.
- Revolutionär: Der Untergang der Aunjetitzer wird in den Zusammenhang mit der Vulkaneruption des Thera auf Santorin um 1600 v. Chr. gebracht, ausgelöst durch die begleitende Klimaveränderung und eine Agrarkrise.
Trotz dieses geballten Nachweises historischer Kompetenz scheinen die Fettnäpfchen deutscher Archäologie artig umschifft worden zu sein, wodurch prompt wenig stichhaltige Schlussfolgerungen entstanden:
Vermischung der Ost- und Westkulturen um 2000 v. Chr. |
- Das astronomische Wissen der Himmelscheibe von Nebra soll vom Sonnenkult im Nahen Osten inspiriert worden sein, dass Reisende an die Unstrut mitbrachten.
- Die Herkunft der Glockenbecherkultur wird trotz ihrer Bedeutung für die neue Zivilisation nicht einmal angerissen.
- Es fehlt der Auslöser für den Aufschwung der Aunjetitzer.
- Auch die Rolle ihrer Süddeutschen Kupferlieferanten bleibt im Dunkeln.
- Durch die fehlende Schrift sei den Aunjetitzern der entscheidende Schritt zu einer Hochkultur entgangen.
- Eine wesentliche Frage bleibt auch: Wie konnten zwei sonst so aggressive Kulturen, repräsentiert durch die östliche Streitaxt und den westliche Bronzedolch friedlich nebeneinander leben?
Überzeugende Antworten bekommt man aber, wenn die Konsequenzen der Katastrophentheorie dieses Blogs berücksichtigt werden (Siehe Post: Die Geschichte Europas im Rhythmus globaler Naturkatastrophen). Die Entwicklung der Aunjetitzer aus den Glockenbecherleuten heraus wurde hier schon vor 4 Jahren vertreten. Doch man braucht gar keine neuen Thesen. Schon allein die anerkannte Archäologie liefert für o.g. Kritik genügend Beweismaterial:
Astronomisches Wissen vom Nil? |
Die Glockenbecherexpansion aus Südspanien heraus? |
3.
Die Aunjetitzer Kultur (4) wird in einen schmalen Streifen von Magdeburg bis zum Balaton gepresst. Die Kontaktzone von Schnurkeramikern und Glockenbecherleuten war aber viel größer. Die reicht über Süddeutschland/ Schweiz bis in den Alpenraum. Dort soll nach neuesten Forschungen die Bronzezeit 150 Jahre später eingesetzt haben, obwohl das Kupfer für die Himmelsscheibe ja aus dem Voralpenraum stammt. Außerdem gibt es alleine in Südthüringen ein Dutzend großer Grabhügel, die an die Aunjetitzer-Gräber in Mitteldeutschland erinnern, aber nie untersucht wurden. Dass hier noch vieles im Dunkeln liegt, ist nicht so schlimm, es sind aber keine wissenschaftlichen Bemühungen erkennbar, die Zusammenhänge aufzuklären. So werden die zahlreichen Funde von Großsteinsetzungen der Cairn-Forschungsgesellschaft in Süddeutschland von der etablierten Wissenschaft nicht ernst genommen. Dabei könnte hier der Schlüssel zum Verständnis der bronzezeitlichen Entwicklung in ganz Europa liegen.
Aunjetitzer (4) im Kreis ihrer Nachbarn (Wikipedia) |
Kaltzeiten vor Christus |
Genetische Identifikation der Ost- und West-Kulturen |
Die anfällige Europäische Platte |
6. Als um 1600 v. Chr. die nächste tektonische und gesellschaftliche Katastrophe über Mitteleuropa hereinbrach, könnten die vordem unterdrückten Schnurkeramiker die Macht an sich gerissen haben. Sprachexperten sehen in dieser Zeit eine weitere Verstärkung und Westausdehnung der indoeuropäischen Komponente. Nach den archäologischen Erkenntnissen entstanden Höhensiedlungen, die soziale Differenzierung nahm ab, erste Brandbestattungen tauchten an den Grenzen der Überflutungsgebiete auf. Alles passt!
Trotzdem sind das hier nur alternative Schlussfolgerungen aus neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen: Die archäologischen, geologischen und klimatischen Fakten liegen nämlich puzzlemäßig auf dem Tisch, werden von den Experten jedoch nicht überzeugend genug zusammengesetzt. Der Blog hier versucht es mit seinen bescheidenen Mitteln.
Endausdehnung der revolutionären Urnen-Kultur in die
ehemals überfluteten Gebiete
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Dennoch keimt Hoffnung für den Geschichtsinteressierten auf: die Katastrophenzeiten scheinen ganz langsam salonfähig zu werden. Wie die sich merkwürdig verhaltende Urnenfelderkultur vor ein paar Monaten offiziell in den Zusammenhang mit der Katastrophenzeit von 1200 v. Chr. gebracht wurde, ist es hier die Aunjetitzer Kultur mit dem Kollaps von 1600 v. Chr. Den dunklen Abschnitten europäischer Geschichte wird aber wohl nur der zu Leibe rücken können, wer die Auswirkungen der periodisch zuschlagenden atlantischen Fluten auf die Westküste Iberiens und die damit verbundenen Völkerwanderungen ins Herz unseres Kontinents analysieren kann.
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