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Freitag, 8. Februar 2019

Paläo-Tsunamis und ihre zeitliche Einordnung

Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch Europa wieder 
dran ist.
Die verheerenden Flutwellen der vergangenen Jahre mit Tausenden Toten haben die Tsunami-Forschung weltweit belebt. Dabei kam unter anderem zu Tage, dass in prähistorischer Zeit noch stärkere Monsterwellen gewütet haben müssen, sowohl hinsichtlich ihrer Intensität als auch der Wellenhöhe. Bei der zeitlichen Einordnung kommen die Forscher zu denselben Ergebnissen wie dieser Blog schon vor Jahren (Siehe Post: Geschichte im Rhythmus von Naturkatastrophen in den Zeiten um 6200, 3900, 2200, 1600, 1200 und 400 v. Chr.).
Nicht nur Fachzeitschriften greifen das Thema vermehrt auf, auch das Netz füllt sich zunehmend. Zu den führenden Adressen in Sachen Tsunami-Forschung gehört hierzulande das Institut für Geographie der Universitäten in Duisburg-Essen und Bamberg. Natürlich geht es denen vorrangig um Ursachen von Seebeben und damit Vorwarnzeiten.
Historische Erdbebengebiete der Europäischen Platte
Sie forschen weltweit, akribisch und interdisziplinär. An Hand von Sedimentablagerungen (Tsunamit) die während der Fluten sowohl aus dem Meer ans Land als auch von der Küste ins Wasser gespült worden sind, lassen sich solche Abläufe rekonstruieren. Diese An- oder Abspülungen können auch aus tonnenschweren Felsbrocken bestehen, die weit vom Ufer entfernt sowohl im Meer als auch auf Land gefunden wurden. Außerdem sammeln die Geologen Expertisen aus den Küstenländern und historische Hinweise. Nach ihren Erkenntnissen waren in Ausnahmefällen Wellenberge von mehreren Hundert Metern Höhe möglich (1958 in Alaska mit 520 m). Solche Fluten konnten dann hunderte Kilometer ins flache Landesinnere vordringen ( Nachgewiesen in Andalusien, der Poebene und auf britischen Hochebenen). 
Erdbeben, Vulkaneruptionen, Tsunamis vor jeder Kaltzeit?
Allerdings sollen solche Dimensionen nicht, wie gewöhnliche Tsunamis, durch Erdbeben oder vulkanische Aktivitäten ausgelöst worden sein, sondern durch ozeanische Impacte größerer Meteoriten oder Kometen-Fragmente. Und das scheint Gott sei Dank eher selten zu passieren, jedenfalls gibt es keine direkten schriftlichen Belege. Nach Prof. Dr. Dieter Kelletat vom Institut für Geographie in Essen entstanden „Tsunami-Kataloge, die im Mittelmeergebiet sogar 4000 Jahre zurück reichen. Von den mittlerweile weit über 2500 in diesen Katalogen erfassten Tsunamis gibt es jedoch erst für wenige Dutzend eindeutige Feldbeweise: "Selbst für die als katastrophal beschriebenen Vorgänge der Vergangenheit mit angeblicher Auslöschung großer Kulturen fehlen weitestgehend geomorphologische oder sedimentologische Belege“.
Die Westgrenze des Urnenfelder-Umbruchs als Grenze
vormals überschwemmten Landes?

Das aber bestreiten einzelne Wissenschaftler seit Jahren und stellten sich damit gegen gängige Lehrmeinungen: Da konstatieren Meteorologen plötzliche Wetterkatastrophen um 6200 und 3900 v. Chr., Archäologen die völlige Auslöschung unserer Population in den europäischen Flussauen um 1600 und 1200 v. Chr., und Historiker unmotivierte Völkerwanderungen und kulturelle Umbrüche ab 2200 und 1200 v. Chr. (Siehe entsprechende Posts und Referenzen in diesem Blog). Schwören nun also auch die Geologen ab?
Radiokarbon-Untersuchungen organischer Anhaftungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Wassers lassen Schlussfolgerungen auf den zeitlichen Horizont der mutmaßlichen Tsunamis zu. Damit konnten mittlerweile in 16 verschiedenen Regionen starke Tsunamis der letzten Jahrtausende neu entdeckt und absolut datiert werden. So muss Mallorca vor etwa 500 bis 1400 Jahren und Zypern vor ca. 250 bis 300 Jahren überflutet worden sein. Damit tauchen zwar erste Zeiten mutmaßlicher Katastrophen wie in unserem o.g. Post auf, die können aber nach den Dokumenten aus jener Zeit nicht so gravierend gewesen sein. Die Wissenschaftler vermuten aber auch gigantische Paläotsunamis um 2400 und 6000 BP (Before Present - vor Heute) im Westen Portugals und für die Antillen vor 500, 1400 und 3000 Jahren. Damit bewegen wir uns innerhalb der hier vorhergesagten Zeiten von 6200 bzw. 500 v. Chr., wo im Atlantik irgendein himmlischer Brocken nieder gegangen sein könnte.
Christchurch: In Europa die gleichen Katastrophenzeiten
wie am anderen Ende der Welt?
Eine Übereinstimmung der Katastrophenzeiten zeigt auch eine Studie über Monsterfluten in der Region Christchurch, Neuseeland. Die Autoren James Goff und Catherine Chagué-Goff bestimmen Zeiträume, wann die dortige Bucht mit Erdbebentsunamis überrollt worden sein muss: Sie kommen auf Abschnitte zwischen 6250-6500, 4800-5350, 4050-4450, 3400-3700, 2200-2300 alles in Jahren BP, und noch einmal in den Jahren 1250-1350 und 1604 jetzt vor Christus. Das entspräche meiner Einschätzung von 1200, 1600, 2200 und vielleicht sogar noch 3900 v. Chr. So viel Gleichklang mit den Untersuchungen hier kann kein Zufall sein. Überhaupt bekommt man beim Übersetzen englischsprachiger Fachliteratur den Eindruck, dass die Geologen in Übersee, insbesondere hinsichtlich der Tsunamimodelle Jahrzehnte voraus sind.
So und schlimmer scheint die ganze Welt schon
mindestens sechs mal ausgesehen zu haben
Das Problem: Nachdem die interdisziplinäre Forschung langsam an Fahrt aufnimmt, klemmt es bei der Öffnung der stark hierarchisch strukturierten akademischen Gilde gegenüber neuen Theorien und Thesen. Geologen können so gar nicht wissen, welcher historischer Forschungsbedarf besteht, wo sie überhaupt suchen müssen, und was die historischen Konsequenzen ihrer Tsunamiforschung sind. Beispiel: Die Poebene in Italien: Das seit Anbeginn der Sesshaftwerdung dicht besiedelte Agrarland soll während der Polada-Kultur mit ihren Pfahlbauten zwischen 2200 und 1500 v. Chr. mehrfach ausgedünnt worden sein. C. Barfield beschreibt ganz Norditalien bis zum Gardasee zwischen 1200 und 1000 v. Chr. archäologisch als "nahezu entvölkert". Bei den Ursache erscheinen nur Tsunamis während o.g. Katastrophenzeiten von der Adria aus plausibel. In dieses Muster passt auch die anschließende Neubesiedlung mit Indogermanen.
Untersuchungswürdige Überflutungsbuchten
Die Etrusker, die ab 800 v. Chr. im Nordadrianischen Altinum siedelten, und ab 500 jetzt unserer Zeitrechnung auf Venedig ausweichen mussten, scheint die verteidigungsfähige Insellage ihrer Städte wichtig gewesen zu sein. Das lenkt den Blick auf die Lagunen im Delta des Po‘s. Wenn Tsunamis je weit in den Flussauen hinauf gerollt sind, müssen ihre Sedimente in den flachen Lagunen zu finden sein. Doch forscht da jemand?
Lagunen (Limane, Haffs, Bodden, Noore) gibt es aber jede Menge in Europa. Darunter sind auffallende viele, deren frühe Siedlungsspuren nach 1200 v. Chr. anzusetzen sind, einer der o.g. Katastrophenzeiten (z. B. Portugal: Aveiro; Spanien: Cádiz, Mar Menor, Cartagena; Tunesien: Karthago; Ägypten: Alexandria; Italien: Rom-Hafen Ostia; Ostsee: Danzig, Kaliningrad). Reiner Zufall? Ich wüsste, wo ich zu suchen hätte. Die Tsunami-Forschung jedenfalls könnte noch so manche Überraschung bezüglich unserer prähistorischen Geschichte präsentieren.

Mehr zu diesem Thema, speziell über...

- Aktuelle Forschung: https://www.researchgate.net/profile/Max_Engel/publication/45627373_Die_Entwicklung_der_Tsunamiforschung_nach_der_Katastrophe_vom_26_Dezember_2004/links/564ae43d08ae9cd9c827243c/Die-Entwicklung-der-Tsunamiforschung-nach-der-Katastrophe-vom-26-Dezember-2004.pdf


- Mega-Tsunamis: http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-2759-2005-04-28.html

- Atlantis: http://atlantisforschung.de/index.php?title=Mega-Tsunami

- Impakte: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0012825211000432

- Australien: https://www.researchgate.net/publication/257110513_A_review_of_palaeo-tsunamis_for_the_Christchurch_region_New_Zealand

- Pazifik 2009: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0012825211000432

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