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Donnerstag, 19. Dezember 2019

Die Stammväter der Franzosen

Auf der Suche nach Naturkatastrophen in der Ur- und Frühgeschichte unserer Nachbarn

Eiszeitliche Entwicklung der französischen Landmasse
Franzosen und Deutsche leiten ihre Geschichte gemeinsam von den germanischen Franken ab. Eine Schicksalsgemeinschaft quasi. Dabei zeigt die uns wesensfremde Aufmüpfigkeit unserer westlichen Nachbarn: da ist noch irgendetwas anders im Blut. Das muss sich allerdings lange vor deren Revolutionen, in vorschriftlicher - also prähistorischer Zeit heraus gebildet haben.
Denn die Vorfahren der Franzosen wanderten über alle Zeiten nicht nur aus dem Osten, also über Deutschland ein, sondern auch aus dem Süden, von der Iberischen Halbinsel. Das zeigen genetische Untersuchungen seit langem. Bereits in der Eiszeit vor 50 Tausend Jahren bemalten Steinzeitmenschen die Wände ihrer Höhlen in einem fotografischen Realismus, der erst in der Neuzeit wieder erreicht wurde. Beispiel, die Höhle von Lascaux, mitten in Frankreich. Die Künstler sollen aus Afrika über die Meerenge von Gibraltar gekommen sein. Von den Jägern und Sammlern danach gibt es nur wenige archäologische Funde, was Wissenschaftler mit dem periodischen Vordringen der Gletscher in Verbindung bringen.
Von Spanien über Frankreich, England nach Skandinavien:
Eine immerwährende kulturelle und genetische Verwandtschaft
Einzelne Artefakte aber zeigen, dass die gesamte Atlantikküste von Spanien bis England seit Urzeiten eine kulturelle und genetische Gemeinschaft bildet. Kein Wunder, denn während der Eiszeit soll der Meeresspiegel etwa 100 Meter tiefer gelegen haben als heute. Mesolithische Wanderer aus dem Süden konnten also einfach durchmarschieren, selbst der Ärmelkanal lag trocken. Erst als die Eismassen ab dem 12. Jahrtausend zu schmelzen begannen, wurde bis etwa dem 6. Jahrtausend nicht nur die Landbrücke nach Norden überschwemmt, sondern auch weite Teile des Pariser Beckens und Aquitaniens. Es war ja wärmer als heute! Einzelne Forscher gehen so weit, nördlich der Pyrenäen eine Meeresverbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer zu vermuten.
Der Canal du Midi als prähistorische Meerenge?
Erst die Anschwemmungen aus den Gebirgen hätten zu einer Anbindung der Pyrenäenhalbinsel an die Europäische Platte geführt. Der Kanal du Midi zeigt heute, dass kein Berg die alte Verbindung versperrt. Außerdem spuckten in Frankreich die Vulkane des Zentralmassivs bis 4000 v. Chr. noch Feuer und Asche über das Land. Das heutige Frankreich schien also bis dahin weitestgehend Niemandsland gewesen zu sein.
Die ersten Bauern an Rhone und Rhein: Typen aus dem 
Fruchtbaren Halbmond

Erst gegen 6000 v. Chr. sickerten die ersten Bauern über die Alpen ein, die sog. Cardial- oder Impressokultur. Sie soll aus dem Nahen Osten entlang der Küsten des damals noch viel flacheren Mittelmeers via Ägäis und Adria gekommen sein. Vereinzelt wird die Vermutung laut, dass die alpine Diffusion eine Flucht vor Erdbeben-Tsunamis in der Poebene darstellte. Ein Phänomen, das auch Südfrankreich und die gesamte Atlantikküste in periodischen Abständen getroffen haben muss. Wie dem auch sei: Ihre Samen und einzelne Zuchttiere müssen die frühen Landwirte mitgebracht haben. Erst 500 Jahre später kamen die Bauern der bei uns bekannten Linienbandkeramik in den Nordwesten von Frankreich. Sie sollen von gleichem Ausgangspunkt in Anatolien die Donau hoch gewandert sein, vorrangig Viehhirten. Beide Völker vermischten sich nur langsam und spalteten sich später in dutzende archäologische Einzelkulturen auf. Französische, englische und spanische Historiker bezeichnen die Periode oft als das Alte Europa. Bei uns scheint der Begriff verpönt. Deutsche Archäologen sind der Meinung, dass damals bereits irgend ein Indogermanisch in Zentraleuropa gesprochen wurde. Doch das bezeichnen Linguisten als reine Spekulation!
Wie die neolithische Expansion, so auch die der Megalith-
und der Glockenbecherkultur

Auch als sich ab etwa 3900 v. Chr. die Megalithkultur besonders in der Bretagne breit machte, war von den östlichen Steppenvölkern noch nichts zu sehen. Im Gegenteil. Die Tradition der Großsteinanlagen soll diesmal von der Iberischen Halbinsel bis Skandinavien und an die Ostsee gewandert sein. Ursache könnten wieder tektonisch bedingte Katastrophen im Süden gewesen sein. Denn gerade in Nordfrankreich deuten Grabbeigaben darauf hin, dass der Wohlstand periodisch durch Krisenzeiten unterbrochen wurde. Wieder und wieder beklagen französische Archäologen Lücken im Fundaufkommen. Ein megalithischer Strang wäre damals entlang der Atlantikküste nach Norden, der andere über Südfrankreich bis in die Schweiz und Süddeutschland gekommen. Manche Experimentalarchäologen sind der Meinung, es gab damals schon hochseetaugliche Boote. Die Werke der etablierten Bauern zeugen von einer paradiesischen Ära, in der man Überschuss produzierte und freie Kapazitäten auslebte. Die megalithischen Gräber waren ursprünglich noch mit riesigen Erdhügeln überdeckt. Deren Fehlen heute könnte in Küstennähe wieder mit damaligen Monsterfluten in Verbindung gebracht werden. Denn in der Neuzeit waren sie bereits abgetragen.
Die Invasion der Glockenbecher in ganz Westeuropa 

Auch die gegen 2500 v. Chr. in ganz Europa sich durchsetzende Glockenbecherkultur scheint immer noch um das Zentralmassiv und die flachen Regionen Frankreichs einen Bogen gemacht zu haben. Deren Topfscherben, Armschutzplatten und kupfernen Griffzangendolche fand man hierzulande nur in der Bretagne, den Vogesen und im Alpenraum. Wahrscheinlich wurden damals auch die ersten Höhensiedlungen entlang der Geländeprofile befestigt. In Deutschland lautet die offizielle Lehrmeinung, dass die späteren Bechertrinker aus Ungarn stammen sollen, zu fremd seien die neuen Gene! In historisch kurzer Zeit von etwa 200 Jahren sollen sie mal schnell nach Spanien gegangen sein, dort erst die typischen Glockentöpfe geholt haben, um damit - wieder zurück - den Markt in Mitteldeutschland zu überschwemmen. Eine andere Theorie besagt, dass die neue Keramik sich als Modeerscheinung durch Handel massiv und kontinental verbreitet hätte.
Die ersten Biertrinker stammen nicht aus Deutschland?
Beides wäre in der Weltgeschichte einmalig. In Westeuropa hingegen glauben die meisten Wissenschaftler, dass die Becher-Invasion, von Anfang an und wie üblich aus Spanien oder sogar Marokko heraus vorgetragen wurde. Man ist sich sicher, dass die ersten Vorstöße über das Meer erfolgt sein müssen. Aus den Bechern soll übrigens Bier getrunken worden sein! Genetische Untersuchungen weisen darauf hin, dass damals ganze Familien über große Entfernungen unterwegs waren. Wieder eine katastrophenbedingte Völkerwanderung? Geologen bringen die Häufung von Erdbeben in der Frühzeit mit dem schwächer werdenden Druck der schmelzenden Eismassen auf die nördlichen Erdplatten in Verbindung. Wie dem auch sei - damals müssen sich die bis heute entscheidenden Gene in Frankreich durchgesetzt haben: Die sog. männlich Haplogruppe R1b, die heute noch den Genpool in ganz Westeuropa dominiert. Das war vor fast 5000 Jahren. Und erst jüngst wurde diese DNA im viel früheren Grabungsschichten Spaniens gefunden. Waren das zugewanderte Afrikaner?
Der Rhein als immerwährende Grenze der Gene und Kulturen?

In Westeuropa liest man hin und wieder von der genetischen und kulturellen Bipolarität Europas. Das ist eine Theorie, die die 4000 jährige ethnische Trennung vom westlichen Alteuropa gegenüber den östlichen Steppenvölkern postuliert. Die diffuse Grenze hätte im Wesentlichen der Rhein abgegeben. Für rassistische Phantasien taugt das Modell aber nicht: Beide Seiten sollen sich nämlich aus der neolithische Expansion des Nahen Ostens gespeist haben. Der eine Strang sei in Wellen wieder und wieder nach Osteuropa eingefallen, der andere - über das Mittelmeer und seine Ränder - in Westeuropa. Und zwar über alle Zeiten und Kulturen hinweg. Diese Hypothese will die permanenten neolithischen Impulse von der Iberischen Halbinsel nach Frankreich und Zentraleuropa erklären. Einige französische Archäologen verweisen dazu auf die in Deutschland völlig unbekannte Artenacianische Kultur.
Der unscheinbare Glockenbecher als Symbol
 einer anderen Welt?
Sie soll gegen 2400 v. Chr. am Atlantik gesiedelt haben, später in ganz Nordfrankreich. Die megalithischen Bogenschützen hätten sich ethnokulturell völlig von den östlichen Schnurkeramikern unterschieden. Außerdem sollen sie über 1000 Jahre einen Gegenpol zu den östlichen Donauvölkern gebildet haben, regelrecht als organisiertes Bollwerk. Archäologisch lässt sich auf den Bergspornen östlich des Rheins eine limesartige Kette megalithischer Höhensiedlungen über Vogesen, Pfalz, Hundsdrück, Eifel und Ardennen aus jener Zeit nachweisen. Verschiedene Wissenschaftler sehen die Artenacianer als reine Glockenbecherleute, quasi den alteuropäischen Vorgängern der historisch bekannten Aquitani. Von den Bechertrinkern wiederum ist bekannt, dass sie sich gegen 2200 v. Chr. erneut in mehrere Einzelvölker auflösten. In Mitteleuropa vermischten sie sich beispielsweise mit den östlichen Schnurkeramikern zur Aunjetitzer Kultur. So oder so: Die Westexpansion der Indogermanen vom Kaukasus scheint also mindestens noch bis 1600 v. Chr. ausgebremst worden zu sein.
Die sog. Atlantische Bronze als Indiz einer
 untergegangenen Kultur?

Damals explodierte der Vulkan Thera auf Santorin, und verwüstete den ganzen Mittelmeerraum. Er muss auch Südfrankreich in Mitleidenschaft gezogen haben. Die verheerendste Katastrophe Westeuropas aber soll gegen 1200 v. Chr. vom isländischen Vulkan Hekla ausgegangen sein. Sämtliche Kulturen brachen damals entlang der Atlantikküste ab und neue taten sich schwer mit einer Wiederbesiedlung. Die Zeit danach ist gekennzeichnet durch Nomadentum, minderwertige Bronzeartefakte, Kriegsgerät, Opferkult und vergrabene Schätze. Ausnahmen kunstvoller Bronzen scheinen aus dem Handel mit dem Osten zu stammen. Von Portugal bis Schottland und ins norddeutsche Tiefland zeigt sich die gleiche krisenhafte Armedei. In Südfrankreich wird sie an Basken und Iberern festgemacht, die über die Pyrenäen kamen. Davon hört man aber bei hiesigen Archäologen nichts. Sie thematisieren auch nicht die Hintergründe des Vorrückens der völlig anders tickenden Urnenfelderkultur aus Ungarn und Süddeutschland an den Atlantik.
Die Indogermanische Expansion
Einig scheinen sich alle nur in der Erkenntnis zu sein, dass die Träger des neuen Grabritus die indogermanischen Sprachen mit in den Westen brachten. Waren ab 1000 v. Chr. die östlichen Steppenkulturen jetzt ohne Wiederstand ins geschwächte Westeuropa eingewandert? Diese Entwicklung manifestiert sich mit dem Vordringen erst der Hallstatt- und ab 500 v. Chr. der Latène-Kelten. Sicher weiß man das z. B. von den sog. Volcae Tectosages, die aus Thüringen zugewandert sein sollen. Sie sind die ersten schriftlich nachgewiesenen Indogermanen, bringen das Eisen mit und waren deshalb unschlagbar. In ihnen sehen die meisten Franzosen ihre Vorfahren. Das ist ja von den Römern so auch schön aufgeschrieben worden.
Genetisch aber scheint die westeuropäische Ethnie am Atlantik - wir wissen es schon - längst abgeschlossen gewesen zu sein. Das Glockenbecher-R1b dominiert ja bis heute. Es entstanden ab 300 v. Chr. auch einige Keltenburgen mit ihren typischen Holz-Erde-Wällen.
Carcasonne: Mittelalterliche Idealstadt als 
überbaute Keltensiedlung
Die meisten von ihnen wurden später von Römern und Franken überbaut, wie beispielsweise in Carcassonne. Es muss also auch Zoff mit den einheimischen Alteuropäer gegeben haben, wie die bereits erwähnten Aquitani am Atlantik. Nicht wenige Linguisten sehen eine Verwandtschaft in den heutigen sprachlich völlig aus dem Rahmen fallenden Basken. Es fehlen in Frankreich aber die in Deutschland typischen eisenzeitlichen gleichmäßigen Feldterrassen wie an Rhein, Mosel und Main, auf denen erst später Wein angebaut wurde. Das deutet darauf hin, dass die schlimmsten Folgen der klimatischen und landwirtschaftlichen Krisen bereits überwunden waren. Dafür sollen damals jene Höhlen für Begräbnisse entstanden sein, die im Mittelalter als Wohnhöhlen genutzt wurden. Die gibt es wiederum in Deutschland kaum und einzelne Forscher glauben, dass sie viel früher angelegt worden waren. Geologen sehen in den oberen Steinschichten die Ablagerungen der prähistorischen Monstertsunamis.
Volcae aus dem Thüringer Becken in Südfrankreich?

Ab ca. 500 v. Chr. kommen auch neue Kolonisten am Mittelmeer ins Spiel, wie Phönizier, Griechen und Römer. Sie bezeichnen die Kelten in Frankreich als Gallier. Ihrer Überlieferung verdanken wir das Wissen vom griechischen Handelsposten im heutigen Marseille. Dort hatte man immer mal wieder Stress mit den Galliern im Hinterland und rief 125 v. Chr. die Römer zu Hilfe. Die breiteten sich nun - nicht selbstlos - in ganz Südfrankreich aus, was im mörderischen Krieg Cäsars gegen Versingetorix mündete. Dieser wird heute als Nationalheld Frankreichs verklärt. Nichts desto trotz brachten die Römer Fortschritt, Kultur und Wohlstand in das wilde Gallien. Auch klimatisch muss das eine günstige Zeit gewesen sein.
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern: Römer gegen 
Hunnen oder alle gegen alle?
Gegen 8 v. Chr. konnte Toulouse aus den Bergen an seinen heutigen Standort an der Garonne umgesiedelt werden. In die Römische Periode fällt außerdem die erste Melioration des am Atlantik immer noch weithin versumpften Landes. Aber erst unter Napoleon wurde der letzte Teil dieser Sumpflandschaft mit den sog. Landes entwässert.
Doch auch nach der Zeitenwende gab es Zuwanderung in Frankreich. Die Römer hatten bereits ab 300 verbündete Germanen zur Grenzsicherung ins Reich geholt, besonders Franken und Burgunden, sogar Skythen und Alanen aus dem Kaukasus. 451 fand irgendwo in Frankreich die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern statt. Dort besiegten offiziell die Römer die Hunnen, aber eigentlich nahmen dort aller Völker und Stämme der damaligen Zeit teil. Auch Thüringer. Ab dem 5. Jahrhundert strömten immer mehr beutehungrige Stämme nach Gallien ein, wie Vandalen und Sueben, die aber nach Afrika weiterzogen. Andere schufen nach dem Zerfall des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert eigene Reiche am Atlantik.
Die Expansion der germanischen Franken
Nach einer vorübergehenden Dominanz der Westgoten gründeten die Franken unter Chlodwig I. das Reich der Merowinger, benannt nach ihrer Königsdynastie. Sie übernahmen zahlreiche römische Werte und Einrichtungen, allem voran natürlich den Katholizismus. Und erst jetzt ging das große Mischen langsam zu Ende. Eine nochmalige Invasion aus dem Süden wurde von ihnen abgewehrt. Im Jahre 732 gelang es Karl Martel in der Schlacht von Tours und Poitiers der von der iberischen Halbinsel ausgehenden Islamischen Expansion Einhalt zu gebieten. Die fränkische Königsdynastie der Karolinger folgte den Merowingern nach. Karl der Große - 800 zum Kaiser gekrönt - beherrschte noch einmal ein Reich vom Balkan bis an den Atlantik. Seine Enkel aber teilten das Frankenreich 843 mit dem Vertrag von Verdun auf; dessen westlicher Teil entsprach in etwa dem heutigen Frankreich, die Östlichen führten schließlich zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Die Topografie Frankreichs als Spiegelbild ihrer Geschichte
Alle noch späteren Invasoren, die ihren Stammbaum bei den Franzosen anhängen wollten - Normannen, Engländer, Spanier oder Deutsche - wurden letztendlich wieder raus geworfen. Genug ist wirklich genug! So kam es jedenfalls, dass beide Länder ihre Vorfahren von den indogermanischen Kelten und Germanen ableiten.
DNA und Geschichte aber haben uns gezeigt, dass sich das temperamentvollere Naturell unserer Nachbarn viel früher heraus gebildet hatte. Und dass es im Wesentlichen aus dem Süden geprägt worden sein muss. Wen wundert’s! Wir alle sind Afrikaner und Asiaten - aber die Völkerwanderungen über Gibraltar haben nur wenige auf dem Schirm. Die strittige Herkunft der genetisch dominierenden Glockenbecherkultur macht die Lage nicht einfacher. Es ist deshalb kaum zu erwarten, dass in absehbarer Zeit die Franzosen ihren Nationalmythos ändern werden.