Kein fiktives Szenario |
In Deutschland wird für diesen Zeitraum weiterhin ein antiquiertes Geschichtsbild vermittelt. So kommt es, dass mir ein Geschichtsstudent erklärt, die Urnenfelderkultur sei als prähistorische Modeerscheinung entstanden. Da kann man nur ohnmächtig die Schultern zucken. Die lernen es eben nicht anders. Wenn aber gestandene Professoren, wie Elke Stein-Hölkeskamp oder Eric H. Cline der Menschheit aktuell einreden wollen, die Hochkulturen Europas um 1200 v. Chr. seien an einem „inneren Systemkollaps“ zugrunde gegangen, dann verursacht das schon körperlichen Schmerz. Wenn dann noch DIE WELT unter ihrem leitenden Kulturgeschichtler Berthold Seewald das einfach kopiert, ohne Gegenmeinungen einzuholen, möchte man - nur noch in Ruhe gelassen werden. http://www.welt.de/geschichte/article145334945/Vom-Systemkollaps-zur-epochalen-Katastrophe.html
In dem Artikel wird um 1200 v. Chr. am östlichen Mittelmeer eine globale Welt beschrieben, deren wirtschaftliche und politische Strukturen der unseren vergleichbar wäre.
Tsunami in Japan |
Doch die Vertreter imaginärer Umsturztheorien ignorieren einfach die Auswirkungen der Naturkatastrophen und Zusammenhänge der Völkerbewegungen damals, wie sie von Archäologen, Klimaforschern und Historikern (Siehe Referenzen unten!) zumindest partiell bewiesen wurden. http://www.vfg.uni-wuerzburg.de/fileadmin/04080200/user_upload/Eine_Katastrophen-Theorie_zum_Beginn_der_Urnenfelderzeit.pdf: Demnach ergibt sich folgendes Bild:
- In allen Ausgrabungsstätten rund um das Mittelmeer finden sich um 1250 v. Chr. Zerstörungsschichten auf Grund von Erdbeben und Überschwemmungen. Nördlich der Alpen muss wegen fehlender Steinbauten damals auf direkte Erdbebennachweise zurückgegriffen werden, wie z.B. in den Hallstattbergwerken, wahrscheinlich auf Helgoland oder beim Stadtfelsen von Porto.
Temperaturen von heute an rückwärts - Zur gleichen Zeit müssen an den Küsten Europas großflächige Tsunamis gewütet haben, wie sie nach Vulkanausbrüchen und Erdbeben typisch sind (nachgewiesen für den Hekla auf Island zu dieser Zeit). Entsprechende Ablagerungen in Tyrins, Levkas oder auf Sardinien legen das genau so nahe, wie die vielen heute sichtbaren Steindolmen, entlang der Küsten, von denen die Erdhügel weggespült wurden.
- In den Küstenregionen z. B. Englands, Norditaliens und in den Flussniederungen Südfrankreichs und Deutschlands folgt ein schlagartiger Bevölkerungsschwund.
- Es kommt zu einem Klimakollaps in ganz Europa, ähnlich dem nach der Eruption des Tambora in Indonesien 1815. Die Auswirkungen: außergewöhnliche Kälte, Dauerregen und extremer Rückgang von Flora und Fauna.
- In jenen Jahren findet ein unmotivierter Bruch mit dem zentralen Bestattungsritus der Hügelgräber in ganz Europa statt. Die Urnenfelderkultur breitet sich aus.
- Heerscharen fremder Völker überziehen Mitteleuropa vom Pariser Becken bis zum Balkan (massenhafter Bau von Höhenburgen, neue Waffen tauchen auf, Schätze werden vergraben, auch die Himmelsscheibe von Nebra, Schlacht im Tollensetal, wahrscheinlich auch Brand im bronzezeitlichen Bernstorf). Auch im Mittelmeerraum kommt es zeitgleich zu kriegerischen Völkerwanderungen von West nach Ost (Seevölker, Dorer, Minoer, Philister, Pryker, Libyer usw.)
- In den meisten Ausgrabungsstätten des Mittelmeerraumes ist ab 1200 v. Chr., nicht lange nach den Zerstörungen der Erdbeben, ein Brandhorizont auf Grund kriegerischer Aktivitäten festzustellen. Alle Hochkulturen des Nahen Ostens gehen zu Grunde, außer die ägyptische. Deren Pharaonendynastie wird aber nicht viel später durch eine libysche abgelöst.
Seevölker vs. Pharao |
Die in o.g. Welt-Artikel aufgeführten Ursachen des globalen Kollapses wie Dürreperioden, Versorgungsengpässe und Revolten hat es ja oft gegeben. Mit ihnen wurden auch die archaischen Gesellschaften fertig. Selbst bei dynastische Zerwürfnissen und Bürgerkriegen haben die Sieger die alten Strukturen immer wieder aufgebaut. Um 1200 v. Chr. aber waren alle Großreiche zusammengebrochen. Das kann nur durch einen apokalyptischen Völkersturm erklärt werden. Ein „Dunkles Zeitalter“ begann.
Da fragt die WELT unbedarft: Warum sind einige Städte durch Waffengewalt zerstört, andere nur verlassen worden? Ja wenn ich höre, dass in meiner Nachbarstadt gemeuchelt wird, suche ich aber schnell das Weite! Warum hat es dann Griechenland, Syrien und Ägypten gleichzeitig getroffen? Ja wenn Massen panisch werden, gleichzeitig an Land und auf See operieren, können sie sich ihren Weg nur bei den Nachbarn freischlagen. Warum aber haben die Menschen in den zerstörten Palästen mit geringem Komfort weitergelebt? Ja wissen die Autoren denn nicht, wie es nach jedem Krieg in den Städten weitergeht! Warum konnte archäologisch nur eine langsame Diffusion nachgewiesen werden und kein konsequenter Kulturschnitt? Ja sollten die Invasoren denn alle umbringen? Wer hätte dann für sie arbeiten können? In diesem Stil wird weiter gefragt. Dabei hätte sich DIE WELT nur mal die Muster anschauen sollen, nach denen die spätere Völkerwanderung in Europa in den ersten 500 Jahren der neuen Zeitrechnung ablief.
Massenschlacht im Tollensetal |
Ich möchte hier nicht das Prinzip dieser viel genutzten Netz-Enzyklopädie in Frage stellen. Natürlich hatte ich jede Menge Anfängerfehler bei Formulierung, Reputation und Quellen gemacht. Aber es ist doch verwunderlich, dass die meisten Gegner meiner These nicht die Fakten und Schlussfolgerungen monierten, sondern die Tatsache, dass ihr bisher eine durchgängige Anerkennung in der Fachwelt versagt geblieben ist. Obwohl etwa ein Dutzend seriöser Wissenschaftler zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist (siehe Post „Die Katastrophenzeit in der Forschung“ und Referenzen am Ende des Blogs), fehlt also der Segen irgendeines Historiker-Papstes. Eine Begründung, die angesichts der hehren Wikipedia-Regeln ziemlich fraglich erscheint. Es geht in den dortigen Foren übrigens recht ruppig zu. Am aggressivsten reagieren die mit dem wenigsten Sachverstand. Zu meiner Ehrenrettung kann ich anführen, dass sich Gegner und Befürworter meiner Thesen in der Diskussion die Waage hielten. Doch dann kam der Admin! Auch mein Verweis auf den Artikel „Kollaps in der späten Bronzezeit“ in der englischen Wikipedia erweichte den Bestimmer nicht. Abgelehnt wurde auch meine Bitte um dessen Übersetzung auf der deutschen Wikipedia - sonst durchweg üblich. https://en.wikipedia.org/wiki/Late_Bronze_Age_collapse
Nur einmal kam der Vorwurf, ich wolle hier eigene Hypothesen unterbringen.
Aus der englischen Wikipedia |
Dorische Wanderung |
Wanderung der Seevölker |
- Wenn es beispielsweise eine große Tsunami-Katastrophe am Atlantik um 1200 v. Chr. gegeben hat, warum hat man dann noch keine salzigen Ablagerungen im Hinterland der westeuropäischen Küste gefunden? So etwas ist nur vom Mittelmeer bekannt.
- Warum konnte man bisher noch keine Indizien für einen dramatischen Bevölkerungsrückgang damals in Frankreich und Spanien finden, wie in England oder Italien?
- Wie hoch war der Wasserstand, welche Gebiete wurden überflutet, welche nicht? Die abgespülten Dolmen müssten Auskunft darüber geben können.
- Welche kulturellen und genetischen Zusammenhänge lassen sich zwischen den Urnenfelderleuten und den Seevölkern finden?
- Ist die geografische die einzige Komponente, die die Fluchtrichtung vorgegeben hat (z. B. durch die Alpen)
- Warum hat Platon als einziger explizit über das einschneidende Ereignis berichtet?
Denn Platons Atlantis-Bericht wird ja indirekt von den historischen Erkenntnissen bestätigt. Alle bekannten Völkerwanderungen um 1200 v. Chr., Dorische, Ionische, Seevölker und Libysche, ja sogar die der Urnenfelderleute, passen sowohl zeitlich als auch geografisch ins Schema einer West-Ost-Flucht vor einem Atlantik-Tsunami. Dabei scheinen nacheinander nicht nur die Hochkulturen des Mittelmeerraumes ausgelöscht wurden zu sein, sondern auch die in Mitteleuropa. Selbst die Übernahme des ägyptischen Throns durch die verbündeten Libyer einige Zeit nach dem Seevölkersturm bestätigt dieses Muster. Ebenfalls ins Bild passen alle Einzelereignisse, wie Trojanischer Krieg, Herrschaft der Königsdynastie der Herakliden in Lydien, Einmarsch der Phryger vom Balkan her und im Norden beispielweise die Schlacht im Tollensetal. Und was spricht dagegen?
- Auch was danach kommt, kann kein Zufalls gewesen sein: die bekannte große phönizische und griechische Kolonisation des westlichen Mittelmeers, etwa ab 1000 v. Chr. Jürgen Hepke, Atlantis-Lokalisator aus Stade, interpretiert sie als kollektive Rückwanderung in die sich langsam wieder renaturierenden Gebiete am Atlantik. Diese Heimkehr ins Land der Vorfahren betrifft auch die keltischen Wanderungen nach Iberien und Britannien, wegen der Nähe zum möglichen Krisenzentrum (Hekla) nur 500 Jahre später. Dass sie inzwischen die indogermanische Sprache übernommen hatten, scheint aber dann doch ein Zufall der Geschichte gewesen zu sein.
- Die Menschen der bronzezeitlichen Wallsiedlung beim bayrischen Bernstorf hätten ihre Stadt in einem rituellen Akt selbst niedergebrannt.
- Der Name der Salzstadt Halle könne unmöglich von den Kelten abstammen, weil die ja gar nicht so weit in den Norden vorgedrungen waren.
- Das Hetiter-Reich sei durch dynastische Kämpfe untergegangen, besonders weil die Menschen wegen zu vieler Nahrungsopfer Hunger gelitten hätten. Die Brandspuren in Hattusa würden wieder auf eine Selbstverbrennung ihrer Hauptstadt hindeuten.
- Atlantis wird sonstwo lokalisiert, nur nicht da, wo und wie Platon es beschrieben hat.
- Die Völkerwanderungen in archaischer Zeit werden auf Bevölkerungsüberschuss, innere Unruhen und soziale Differenzen zurückgeführt.
- Die Masse der Höhenburgen, die um 1200 v. Chr. entstanden waren, werden mit einem überzogenen Prestigedenken der damaligen Eliten begründet. Nur: wenn alle oben lebten, macht das natürlich wenig Sinn.
Die Grenzen der Urenfelder im Westen als Reichweite der Tsunamis |
In diesem Sinne fügen sich schon seit Jahren alle neuen Ausgrabungen oder wissenschaftlichen Erkenntnisse in das nicht anerkannte Katastrophenszenario, von dem ich bei Jürgen Hepke das erste Mal gehört hatte. Warum das so wichtig ist? Weil aus der falschen Interpretation der Geschichte die falschen Schlussfolgerungen für mögliche Szenarien heute gezogen werden. Doch irgendwann werden es auch die Schreibtischoberen begreifen müssen. Wenn es da nicht zu spät ist...